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Arbeit für Flüchtlinge Der Schweiz gehen die Erntehelfer aus

Harte Feldarbeit ist nichts für Schweizerinnen und Schweizer. Im Tessin verrichten darum auch Flüchtlinge diese Arbeit.

«Hart ist diese Arbeit. Wir arbeiten bei Wind und Wetter hier auf diesen Feldern. Das ist nicht immer einfach. Doch wir sind hier, um zu arbeiten. Und wenn wir nicht das Gemüse von den Feldern holen, bleiben die Regale in den Läden leer», sagt Maxamed. Der 21-jährige gebürtige Somalier ist einer der 30 Mitarbeiter der Gemüsebäuerin Manuela Meier.

Win-win-Situation für Bauern und Arbeiter

Zwei Drittel ihrer Mitarbeiter sind Flüchtlinge, sie kommen aus Somalia, Eritrea oder Afghanistan. Die meisten der Flüchtlinge haben die Aufenthaltsbewilligung F, die die Erwerbsarbeit zulässt. Daneben beschäftigt Meier portugiesische Arbeitende sowie Grenzgängerinnen und Grenzgänger. Tessinerinnen und Tessiner oder Schweizerinnen und Schweizer aus anderen Kantonen gebe es keine, die diese Arbeit verrichten wollten, sagt Meier.  

Warum sollen wir Arbeiter aus der EU holen, die im Gegensatz zu den Flüchtlingen gar nicht in der Schweiz bleiben wollen?
Autor: Manuela Meier Gemüsebäuerin

Diese Arbeit bedeutet in nackten Zahlen: Als Ungelernte 50 Wochenstunden für einen gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn von 3200 Franken zu arbeiten. Ihr Arbeitsort sind das Feld oder das Gewächshaus, wie für den 23-jährigen Ibraim, der in der tropisch feuchten Hitze Gurken pflückt.

Feldarbeiter setzten neue Setzlinge.
Legende: Die Arbeit im Gewächshaus oder auf dem Feld ist körperlich anstrengend. Manuela Meier

«Ich kenne die Wärme, sie ist gut für meine Gesundheit. In Somalia arbeitete ich auch auf dem Feld, dort arbeitete ich allerdings mit Kamelen. Ich möchte auch in Zukunft diese Arbeit machen.»

Ibraim arbeitet das vierte Jahr auf Tessiner Feldern. Gemüsebäuerin Manuela Meier spricht von einer Win-win-Situation: «Die Flüchtlinge brauchen Arbeit, um hier ein neues Leben zu starten, das ihnen Sinn stiftet. Warum also Arbeiter aus der EU holen, die im Gegensatz zu den Flüchtlingen gar nicht in der Schweiz bleiben wollen?»

Flüchtlinge ersetzen polnische Feldarbeiter

Die Zusammenarbeit der Tessiner Gemüsebauern mit der Non-Profit-Organisation SOS Ticino, die sich um die Arbeitsintegration von Flüchtlingen kümmert, läuft aus Sicht der Bauern sehr gut. Wie viele Flüchtlinge genau auf Tessiner Feldern arbeiten, lässt sich nicht so einfach beziffern. Klar ist, es sind mehr als auf Deutschschweizer Feldern.

Sandra Helfenstein, Sprecherin des Schweizerischen Bauernverbands, sagt, es sei sehr schwierig, an die geeigneten Flüchtlinge heranzukommen. «Wir denken, dass ein gewisses Potenzial da wäre, aber es gelingt uns nicht, dieses zu nutzen.» Aus Sicht des Bauernverbandes ist es sehr hilfreich, dass mit der neuen Integrationsagenda des Bundes verstärkt die Gemeinden, also die lokalen Kräfte vor Ort, für die Arbeitsintegration der Flüchtlinge zuständig sind.

Flüchtlinge in polnischen Lücken

Flüchtlinge könnten so künftig vermehrt die Arbeit der Polen übernehmen, sagt Helfenstein. In der Deutschschweiz arbeiteten derzeit sehr viele polnische Erntehelfer. Es werde aber zunehmend schwierig, diese zu motivieren, in die Schweiz zu kommen, da sie je länger je mehr Arbeit in Polen fänden.

Die Flüchtlinge könnten also in die Lücken springen, die die polnischen Erntehelfer auf Schweizer Feldern hinterlassen. Helfenstein will die Zukunft aber nicht schwarzmalen. Sie sagt, es gebe immer eine Lösung. Wenn es keine Arbeiter gebe, würden Hack- und Pflückroboter ihr Tagwerk übernehmen. Die Frage dabei sei einfach, zu welchem Preis.

Rendez-vous, 08.09.2021, 12:30 Uhr

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