Europaweit wird derzeit über Verschärfungen in der Asylpolitik diskutiert. Und auch in der Schweiz bleibt der Umgang mit Asylsuchenden eines der umstrittenen Themen. So standen in der letzten Woche der Wintersession etliche entsprechende Vorschläge auf den Traktandenlisten von National- und Ständerat. Die Parlamentsdebatte fand sodann am Freitagabend in der «Arena» gleichsam eine nahtlose Fortsetzung.
«Man will die grossen Probleme im Asylbereich schlicht nicht anpacken. Dies, obgleich ganz klar ist, wo sie liegen», sagt SVP-Nationalrat Benjamin Fischer. Zur Illustration der in seinen Augen desaströsen Situation im Asylwesen verweist er auf den Kanton Thurgau, wo die Einbruchdiebstähle massiv zugenommen hätten und in 90 Prozent der Fälle junge Männer aus Maghreb-Staaten verantwortlich seien. «Wir haben zwar noch nicht französische oder deutsche Zustände – doch wir müssen verhindern, dass es so weit kommt.» Anders fällt dieweil die Einschätzung von Sibel Arslan aus. «Es ist richtig, dass straffällige Personen verurteilt werden. Aber es handelt sich in Tat und Wahrheit um Einzelfälle», so die Nationalrätin der Grünen. Die SVP stelle gewisse Gruppen von Asylsuchenden pauschal unter Generalverdacht und verweigere sich mithin echten Lösungen. «Von einem Asylchaos zu sprechen, ist deshalb reiner Populismus.»
Wie auch immer die politisch gefärbte Beurteilung der derzeitigen Situation im Asylwesen ausfallen mag, sprechen gewisse Zahlen eine klare Sprache: Bei den Asylgesuchen war in letzter Zeit wieder ein Anstieg zu verzeichnen. 2022 wurden rund 24'500 Gesuche gestellt, wobei Personen mit Schutzstatus S nicht eingerechnet sind. Für das laufende Jahr rechnet das Staatssekretariat für Migration SEM mit etwa 30'000 Asylgesuchen. FDP und SVP nehmen diese Entwicklung zum Anlass für Vorstösse im Parlament. So wollte eine Motion in der eben zu Ende gegangenen Session etwa die Praxisänderung des SEM bei afghanischen Frauen und Mädchen rückgängig machen. Die Diskussion wurde auf Ordnungsantrag der Mitte hin verschoben. Angenommen hat der Nationalrat indes einen Vorstoss, der vom Bundesrat ein Konzept zur Erhöhung der Anzahl Ausweisungen und Rückführungen verlangt.
«Wir müssen bei den Rückführungen eine Quote von 100 Prozent anstreben», begrüsst Mitte-Nationalrat Reto Nause den Entscheid aus seinem Rat. Kriminelle Ausländer würden zu wenig konsequent ausgeschafft. Dies gelte es schleunigst zu ändern. «Damit dies gelingt, braucht es weitere Rückübernahmeabkommen. Der neue Justizminister Beat Jans muss in die betroffenen Länder fliegen und dies mit den zuständigen Personen unter vier Augen besprechen», so Nause. «Das ist doch ein einziges Theater», kontert Andreas Nufer. Der Pfarrer der reformierten Kirchgemeinde Heiliggeist in Bern appelliert angesichts herzzerreissender Schicksale an die Menschlichkeit. Letzte Woche sei beispielsweise eine Familie aus Bern nach Sri Lanka ausgeschafft worden. «Das Mädchen hat vor einigen Jahren in unserem Weihnachtsspiel das Jesuskind gespielt. Heuer wäre ihre kleine Schwester an der Reihe gewesen. Beide sind in der Schweiz aufgewachsen. Nun sind sie nicht mehr hier.»
Die innenpolitischen Diskussionen rund um Asylzahlen und Rückführungen könnten bald von einer aussenpolitischen Entwicklung überholt werden. Die EU hat sich vor ein paar Tagen auf eine Reform unter anderem mit Asylzentren an den Aussengrenzen geeinigt. Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider sprach von einem bedeutsamen politischen Schritt. Viele erhoffen sich durch die härtere Gangart an den EU-Aussengrenzen Entlastung.