«Ich fühle Scham und Schuld. Ich will die Ukrainer um Verzeihung bitten, ich weiss aber auch ganz genau, dass man dieses fürchterliche Verbrechen nicht verzeihen kann», sagte der russische Schriftsteller Michail Schischkin in der «Arena» am Freitagabend zum Krieg in der Ukraine.
Schischkin erklärte, der russische Präsident habe die Brüdervölker Russland und Ukraine dazu missbraucht, sein Ziel zu erreichen. Dieses Ziel sei simpel: «Der Diktator will an der Macht bleiben. Und dazu ist er bereit, alles zu opfern, die Ukrainer, die Russen, die ganze Welt.» Doch Wladimir Putin sei selbst «Geisel» seiner eigenen Propaganda. Er glaube an einen Befreiungskrieg gegen den gierigen Westen. Doch: «Er hat den Krieg selbst angestiftet», sagte Schischkin.
Ukrainerin sieht Putin als Befreier
Isoliert mit ihrer Meinung war in der Sendung Gala Ferretti. Acht Jahre lang habe niemand den Leuten im Donbass zugehört, sagte die Krankenschwester, die selbst ursprünglich aus Luhansk, einer der Separatistenregionen stammt. «Sie haben keine Stimme gehabt, wurden unterdrückt von der ukrainischen Regierung.»
Ferretti sieht Putin deshalb als Befreier. Er wolle nicht die Ukraine erobern und schütze die Zivilbevölkerung. Sie verstehe nicht, wieso Menschenrechte nur für eine Seite gelten könnten, nicht aber für die andere, ihre eigene. «Wir stehen mit dem Rücken zur Wand», sagte Ferretti. Dennoch betreffe sie das grosse Leid, dem sich die Ukrainerinnen und Ukrainer derzeit gegenübersehen.
Ich fühle Scham und Schuld. Ich will die Ukrainer um Verzeihung bitten.
Ein grosser Teil der russischen Bevölkerung unterstütze den Angriff, sagte SRF-Korrespondent Christof Franzen. «80 bis 90 Prozent der russischen Bevölkerung holen ihre Informationen aus dem Fernsehen.» Man spreche von einem Genozid in der Ostukraine, von Faschisten in Kiew. «Diese Parallelrealität färbt auf die Bevölkerung ab.» Es gebe aber auch andere Reaktionen von russischen Bürgerinnen und Bürgern, die sich sehr betroffen zeigten über die Ereignisse.
Die Sicherheit ganz Europas sei nun gefährdet, sagte Mitte-Ständerätin Andrea Gmür. Das Ganze sei ein Pulverfass - niemand wisse, wie sich die Situation entwickeln werde. Gmür befürwortet das Vorgehen des Bundesrats. Das EDA hat beschlossen, so zu verfahren wie schon bei der Besetzung der Krim durch Russland 2014: Wegen der Schweizer Neutralität trifft man keine eigenen Sanktionen, sondern Massnahmen, damit die Sanktionen der EU nicht auf dem Umweg über die Schweiz umgangen werden können.
Es bleibt die Ratlosigkeit
Dieses Vorgehen wird von der EU, aber auch in der Schweiz heftig kritisiert. Auch in der «Arena» vom Freitag erhitzten sich die Gemüter über die Frage, welche Rolle die Schweiz in diesem Konflikt spielen soll.
Unsere Neutralität verlangt, dass die Schweiz weder die eine noch die andere Konfliktpartei begünstigen darf.
Für SP-Nationalrat Fabian Molina war klar, die Schweiz muss sich den Sanktionen anderer Länder anschliessen und für ihre demokratischen Werte einstehen. «Präsident Putin hat mit dieser Invasion die Weltordnung, die man nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut hat, mit einem Fingerschnippen weggeworfen», sagte er. Wir stünden nun vor einer Zäsur, denn Putin sei der Erste, der dieses Friedenssystem in Frage stellte. «Man muss die Elite, die Oligarchen um Präsident Putin zu Boden bringen, indem man ihre Finanzflüsse austrocknet», sagte Molina. Hier spiele die Schweiz eine entscheidende Rolle.
Dem widersprach FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann: «Unsere Neutralität verlangt, dass die Schweiz weder die eine noch die andere Konfliktpartei begünstigen darf.» Die EU müsse verstehen, dass die Schweiz bei den Sanktionen ihren eigenen Weg ging. «Wir haben ein klares Sanktionsregime. Was wir Umgehungssanktionen nennen, hat die gleiche Wirkung, wie die Sanktionen, die die EU verhängt», sagte Portmann. Auch Andrea Gmür betonte, nur so könne die Schweiz ihre Vermittlertätigkeit noch wahrnehmen und ihre Glaubwürdigkeit als neutraler Staat wahren.
Schliesslich stand aber Ratlosigkeit im Raum. Denn es bleibt unklar, wie viel Sanktionen überhaupt nützen. Die Gäste in der Sendung haben ihr Mitgefühl mit der ukrainischen Bevölkerung bekundet. So war man sich dann auch einig, dass die Schweiz als Teil der Staatengemeinschaft in der Verantwortung steht, Flüchtende aufzunehmen. Man schaute aber auch mit Sorge auf die russische Bevölkerung, denn Sanktionen treffen immer auch die Zivilbevölkerung.
Michail Schischkin hatte das Schlusswort in der Sendung: «Ich hoffe, dass Putin diesen Krieg verlieren wird.»