Vor genau einem Jahr marschierten Russlands Truppen in der Ukraine ein. Der Angriffskrieg, vom russischen Präsidenten Wladimir Putin als «militärische Spezialoperation» bezeichnet, hat laut UNO-Angaben bereits über 8000 Zivilisten das Leben gekostet.
«Es kommt mir vor, als wäre es erst gestern passiert», sagte der Ukrainer Oleksandr Bondartschuk, der in der «Arena» zugeschaltet war, zum russischen Einmarsch. Damals hätten die Ukrainerinnen und Ukrainer nicht gewusst, wie ihnen geschehe. «Heute leben wir im Kriegsmodus.» Bondartschuk wohnt gemeinsam mit seiner Frau und den drei Kindern in einem Vorort von Kiew.
In diesem Krieg könne die Schweiz nicht neutral sein
Sie versuchen, trotz Krieg ein bisschen Normalität im Leben zu haben. «Aber jede Minute kann ein Luftangriff kommen – damit muss man sich abfinden.» Für die traditionelle Neutralität der Schweiz zeigte Bondartschuk zwar Verständnis. Aber: «In diesem Krieg kann man nicht neutral sein. Wenn es ums Überleben geht, gibt es keine Neutralität.»
ETH-Strategieexperte Marcel Berni sagte, der Krieg sei festgefahren. «Was überrascht: Bis heute gab es keinen Grossangriff der russischen Luftwaffe auf die Ukraine.» Das könne daran liegen, dass die ukrainische Verteidigung sehr erfolgreich sei. «Möglicherweise hält sich die russische Armee die Luftwaffe aber auch als Reserve für eine weitere Eskalationsstufe zurück.»
Schweizer Munition an Deutschland verkauft
Um den Krieg zu gewinnen, brauche die Ukraine aber weitere Waffenlieferungen. Dabei seien auch die 12'400 Patronen Gepard-Munition, welche Deutschland von der Schweiz gekauft hat und nun an die Ukraine weitergeben möchte, interessant: «Jeder Schuss ist ein Schuss.»
Solche Wiederausfuhren von Schweizer Waffen über andere Länder will eine Allianz aus SP, FDP, Mitte und GLP nun ermöglichen. Die sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats hat diese Woche einen entsprechenden Vorstoss präsentiert.
Neutralitätsfrage unterschiedlich ausgelegt
Entscheidend dafür war insbesondere ein Meinungsumschwung innerhalb der SP. Fraktionschef Roger Nordmann dazu in der «Arena»: «Russland führt einen Krieg mit teils Genozidabsichten. Darum dürfen wir andere Länder nicht daran hindern, mit der Ukraine solidarisch zu sein.»
Auf keinen Fall dürfen wir unsere Neutralität für den Export dieser paar Schüsse über den Haufen werfen
«Auf keinen Fall dürfen wir unsere Neutralität für den Export dieser paar Schüsse über den Haufen werfen», entgegnete SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel. Einseitige Waffenlieferungen an die Ukraine seien abzulehnen. «Dank der Neutralität werden wir nicht in Kriege verwickelt.» Die Schweiz müsse sich auf ihre Vermittlerrolle konzentrieren.
Schützenhilfe erhielt er von Grünen-Fraktionschefin Aline Trede: «Es nervt mich, dass wir jetzt nur über Waffen sprechen.» Die Schweiz habe viel stärkere Hebel, um der Ukraine zu helfen: «Über unseren Rohstoffhandelsplatz finanzieren wir den russischen Krieg direkt mit.»
Mehr humanitäre Hilfe gefordert
Ausserdem müsse die Schweiz mehr humanitäre Hilfe leisten. «Wir leisten viermal weniger humanitäre Hilfe als Österreich – dabei sind wir ein sehr viel reicheres Land.» SVP und FDP hätten das in der Vergangenheit aber jeweils abgelehnt.
Wenn wir die indirekten Waffenlieferungen ablehnen, stehen wir in Europa echt isoliert da
«Es stimmt nicht, dass wir keine Hand für humanitäre Hilfe bieten», widersprach FDP-Nationalrätin Christa Markwalder. «Was die Statistik ausserdem nicht zeigt: die grosszügige Hilfe von Privatpersonen, Hilfswerken und Unternehmen.»
Die Ukraine könne sich aber nur verteidigen, wenn sie die richtigen Mittel dazu habe. «Wenn wir die indirekten Waffenlieferungen ablehnen, stehen wir in Europa echt isoliert da.» Eine entsprechende Lockerung des Waffenexportregimes würde schliesslich auch die Schweizer Rüstungsindustrie stärken.