Die Schweizer Armee soll wieder besser kämpfen können und im Kriegsfall zum Gegenangriff fähig sein. Das steht im neuen Strategiebericht der Armee. Doch was bedeutet das genau? Der Verantwortliche für die Führung der Armee, Korpskommandant Thomas Süssli, erklärt.
SRF News: Braucht es diese offensive Art von Verteidigung wirklich für die Schweiz?
Thomas Süssli: Verteidigung war immer schon offensiv ausgerichtet, insbesondere im Kontext der Schweiz. Am Ende geht es darum, die territoriale Integrität unseres Landes wiederherzustellen und unsere Bevölkerung zu schützen. Angesichts der zunehmenden Unsicherheiten auf der Welt ist die Verteidigung wichtiger denn je.
Der Nachrichtendienst entscheidet, wie nah ein möglicher Konflikt ist.
Das heisst, Sie sehen die Schweiz kurz vor einem Krieg?
Für die Armee ergibt sich die Bedrohung aus dem militärischen Potenzial in der Umgebung der Schweiz und Europa. Dies multiplizieren wir mit der Absicht, dieses Potenzial einzusetzen. Absichten können sich jederzeit ändern und wir müssen darauf vorbereitet sein. Eine genaue Bewertung der Absichten übernimmt unser Nachrichtendienst, der kontinuierlich überwacht. Sie entscheiden, wie nah ein möglicher Konflikt ist.
Wir müssen uns auf die schlimmsten Ereignisse vorbereiten, wie es Teile unserer Verteidigungsstrategie machen.
Der Bericht des Nachrichtendienstes zeigt aber, dass die Wahrscheinlichkeit eines Krieges in der Schweiz derzeit äusserst klein ist. Wozu also aufrüsten?
Die Volatilität möglicher Ereignisse kann sich schnell ändern, was den Raum für verschiedene Szenarien eröffnet. Die weltweite Situation und auch die Lage in Europa könnten sich in den nächsten zehn bis 15 Jahren positiv oder negativ entwickeln. Wir müssen uns auf die schlimmsten Ereignisse vorbereiten, wie es Teile unserer Verteidigungsstrategie machen.
Der Bericht beinhaltet heikle Punkte, zu der sich die Politik noch nicht äussern konnte. Sie fordern WKs im Ausland oder mehr internationale Zusammenarbeit. Sind Sie jetzt unser Verteidigungsminister, Herr Süssli?
Ich denke, der Rahmen der neuen Armeestrategie wurde gut abgesteckt durch den sicherheitspolitischen Bericht und den Zusatzbericht, der bereits einen starken Fokus auf internationale Kooperation legt. Aber am Schluss unterliegt die Armee der Politik, das ist selbstverständlich.
Wieso haben Sie nicht gewartet, bis die politischen Diskussionen geführt wurden?
Die Politik ist selbstverständlich daran, die Diskussion zu führen. Man könnte sagen, die Spezialisten der Armee leisten nun einen Beitrag und zeigen mit dem Strategiebericht einen Weg auf, wie die Armee die politischen Entscheide implementieren könnte.
Haben Sie sich in Bundesbern jetzt mehr Feinde oder Freunde gemacht?
Das kann ich nicht sagen. Mein Ziel ist es, meine Aufgabe als Chef der Armee nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen.
Das Gespräch führte Eliane Leiser, Mitarbeit Géraldine Jäggi.