Die Vorwürfe sind massiv: Gegen einen Arzt wird in der Waadt wegen Urkundenfälschung und gewerbsmässigem Betrug ermittelt. Mehrere Krankenkassen und die Suva haben ihn angezeigt.
In verschiedenen Gerichtsakten steht ausserdem, der Arzt werde beschuldigt, gefährliche Behandlungen betrieben zu haben. So wird ihm beispielsweise vorgeworfen, er habe nicht steril gearbeitet, was Infektionen zur Folge gehabt habe. Oder dass er auf gefährliche und missbräuchliche Art Medikamente verschrieben habe, die stark abhängig machten. Auch hier wird derzeit ermittelt.
Schutz der Patienten hat Priorität
Nach einer Praxisinspektion durch eine Delegation um den Waadtländer Kantonsarzt Karim Boubaker im März 2017 haben die Waadtländer Behörden die kantonale Berufsausübungsbewilligung des Arztes provisorisch suspendiert – zum Schutz der Patienten. Diese Bewilligung braucht ein Arzt, damit er eigenverantwortlich praktizieren darf, beispielsweise in einer eigenen Praxis. Der vorläufige Bewilligungsentzug wurde auch ins Ärzteregister MedReg eingetragen.
Der Kantonsarzt darf zum Einzelfall keine Stellung nehmen, sagt aber: «Wir im Kanton Waadt gewichten den Schutz der öffentlichen Gesundheit hoch». Wenn ein Arzt dem Amt nicht mehr vertrauenswürdig scheine, müsse man rasch entscheiden, ob man ihn weiterarbeiten lassen dürfe oder nicht.
Der vorläufige Entzug der Bewilligung dieses Arztes ist aus Sicht der Waadtländer gerechtfertigt, obwohl das Gerichtsverfahren gegen den Arzt nicht abgeschlossen ist. Die Patienten zu schützen, habe oberste Priorität.
Genf: Bewilligung bleibt aktiv
Ganz anders in Genf: Hier praktiziert der Arzt ohne Einschränkung weiter – ganz legal. Laut eigenen Angaben ist er aktuell als angestellter Arzt tätig. Seit 2010 verfügt er in Genf über eine Berufsausübungsbewilligung. Laut dem zuständigen Kantonsarzt Jacques-André Romand wird sich daran nichts ändern. Der Arzt dürfte auch jederzeit eine eigene Praxis eröffnen.
Romand darf zum konkreten Fall keine Stellung nehmen, sagt aber: «Solange wir keine offizielle Information haben, dass jemand verurteilt ist, dürfen wir ihn nicht vom Arbeiten abhalten.» Ohne rechtskräftige Verurteilung könne man die Bewilligung nicht offiziell suspendieren oder entziehen.
Wenn gegen einen Arzt der begründete Verdacht vorliege, dass er Patienten schädigen könnte, ergreife man in Genf vorsorgliche, nicht öffentliche Massnahmen. Doch im vorliegenden Fall wäre auch das nicht möglich. Denn, die Kantone dürften Informationen erst dann offiziell austauschen, wenn ein Bewilligungsentzug rechtskräftig sei.
Politiker fordern Patientenschutz
Gesundheitspolitiker im Bundeshaus kritisieren die Argumentation der Genfer. SP-Nationalrätin Yvonne Feri sagt gegenüber der Rundschau: «Ich verstehe hier den Kanton Genf überhaupt nicht. Der Patientenschutz muss in diesem Fall über dem Persönlichkeitsschutz stehen». Wenn ein Verfahren noch nicht abgeschlossen sei, müsse man eine provisorische Sistierung in Kraft setzen.
Der Präsident der Nationalrätlichen Gesundheitskommission, Thomas de Courten (SVP/BL) sagt: «Die Patientensicherheit geht ganz klar vor. Der Persönlichkeit des Arztes lässt sich auf andere Weise schützen».
Der beschuldigte Arzt wollte gegenüber der «Rundschau» keine Stellung nehmen. Gegenüber Westschweizer Medien sagte er im Jahr 2017, er habe sich nie bereichert. Der Arzt bestreitet die Vorwürfe und hat bereits mehrmals Rekurs gegen verschiedene Gerichtsentscheide gemacht.