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Asbest-Gefahr bei Entsorgung
Aus 10 vor 10 vom 06.03.2018.
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Asbest-Verdacht Suva stoppte letztes Jahr 83 Baustellen per sofort

  • Die Suva zählt bisher mehr als 2000 Asbest-Tote.
  • Doch auch heute ist der Umgang in der Schweiz oft noch fahrlässig: Die Suva musste allein letztes Jahr 83 Baustellen per sofort stoppen.
  • Arbeiter in Einsiedeln berichten von einem neuen Fall: Sie sind sich sicher, die Fasern eingeatmet zu haben.

Asbest: Das Baumaterial hat eine der grössten Industrie-Katastrophen der Schweiz ausgelöst. Mehr als 2000 Asbest-Tote hat die Suva bisher gezählt, die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen. Asbest galt einst als Wunderfaser. Doch inzwischen ist das Material in der höchsten Giftklasse gelistet und seit 1990 verboten.

Das Problem mit den Altlasten bleibt ungelöst

Nicht gelöst ist allerdings das Problem mit den Altlasten. In den meisten Häusern, die vor 1990 gebaut oder renoviert wurden, steckt asbesthaltiges Material – in unterschiedlichem Ausmass. Und diese Häuser kommen nun alle in die Jahre, werden abgerissen oder umgebaut. Findet sich dabei asbesthaltiges Material, ist grösste Vorsicht geboten.

Doch immer wieder wird damit in der Schweiz fahrlässig umgegangen – trotz Wissen um die Gefährlichkeit. Das zeigen Recherchen von «10vor10».

Die Schweizerische Unfallversicherung Suva – für die Kontrollen zuständig – muss immer wieder Baustellen per sofort stoppen, weil «trotz des Verdachts auf das Vorhandensein asbesthaltiger Materialien» die sogenannte Ermittlungspflicht nicht durchgeführt wurde.

So musste die Suva letztes Jahr in 83 Fällen gar eine «sofortige Einstellung der Arbeiten» verfügen. Der Betrieb muss dann den Verdacht ausräumen und Schutzmassnahmen umsetzen. Weitergearbeitet werden darf erst danach.

Doch Gefahr droht auch bei der Entsorgung. Nun berichten Arbeiter in Einsiedeln von einem neuen Fall. Sie sind sich sicher, die hochgiftigen Fasern eingeatmet zu haben – und befürchten nun, tödlich zu erkranken. Die drei berichten übereinstimmend: Sie hätten immer wieder ohne Schutz mit altem Eternit arbeiten müssen. Eternit, das älter ist als 1990, enthält meist Asbest.

Arbeiter berichten: Wir haben Asbest-Fasern eingeatmet

So lange sie festgebunden sind, sind die Fasern unbedenklich. Für die Bewohner der Häuser besteht darum keine Gefahr. Doch werden die Fasern freigesetzt und eingeatmet, können sie tödliche Krankheiten wie Lungenkrebs und Brustfellkrebs – das Mesotheliom – auslösen.

Der Bund schreibt für das Arbeiten mit asbesthaltigem Eternit vor: «Mechanische Einwirkungen wie Fräsen, Bohren oder Zerbrechen sind zu vermeiden.» Denn dabei werden potenziell viele der gefährlichen Fasern freigesetzt. Im Umgang mit asbesthaltigem Material ist Atemschutz obligatorisch, je nach den Umständen auch Spezialschutzkleidung. Zuständig für die Ermittlung der Risiken ist der Arbeitgeber.

Die drei Männer arbeiteten im Entsorgungs-Center «Schädler Mulden AG» in Einsiedeln im Kanton Schwyz. Zum Beispiel mit altem Well-Eternit oder den sogenannten «Stromer-Tableaus». Einer der Arbeiter erzählt: «Das Well-Eternit wurde palettiert angeliefert. Wenn es alt war, war es mooshaltig und brüchig – und wenn man es berührt hat, ist es zerbröselt.»

Solches Material sei ohne Vorwarnung nahe der Arbeiter gekippt worden. Danach habe einer es mit einem Stapler in eine Mulde werfen müssen. Und: «Dann mussten wir es noch mit dem Bagger zerstossen und zerkleinern – wobei sich regelmässig Staub entwickelte». Die Arbeiter sagen, sie hätten von einer Ladung eine Probe genommen und eingeschickt. Das Labor-Ergebnis legen sie «10vor10» vor. Es zeigt: Die Probe enthielt festgebundenes Asbest.

«In der heutigen Zeit ein absoluter Skandal»

Atemschutz habe man auch bei der Arbeit mit alten Elektro-Tableaus aus Eternit nicht getragen. Sind diese asbesthaltig, dürften sie nur von Suva-anerkannten Asbestsanierungsunternehmen zerlegt werde. Alte Tableaus seien von Elektrikern zwar korrekt staubdicht verpackt angeliefert worden. Aber: «Diese Säcke mussten wir dann aufschneiden, um die Tableaus auseinanderzunehmen».

Für Karl Klingler, Mitgründer der Vereinigung für Asbestopfer und Angehörige und Lungenarzt an der Zürcher Hirslanden-Klinik, ist das verantwortungslos: «Das ist natürlich in der heutigen Zeit ein absoluter Skandal. Man müsste eigentlich meinen, dass man aus der Vergangenheit etwas gelernt hat.»

Beim Kippen von Eternit entstehe keine Staubwolke

Die «Schädler Mulden AG» nimmt schriftlich Stellung: «Anlieferungen von Eternit sind selten (im Durchschnitt wohl weniger als einmal monatlich).» Wie alt der Eternit war, sei unklar. Es sei möglich, dass dieses Asbest enthalten habe. «Nicht zutreffend ist aber, dass beim Kippen von Eternit eine Staubwolke entsteht. Ausserdem ist darauf hinzuweisen, dass wir über eine Berieselungsanlage verfügen. Wenn sich daher Staub bildet, ist es in der Verantwortung der Mitarbeiter, diese Anlage in Betrieb zu nehmen.» Und: «Uns ist völlig unbekannt, ob, wann, von wem und wo Proben genommen worden sind.»

Elektro-Tableaus seien zudem nicht demontiert, sondern ohne weitere Verarbeitung weitergeleitet worden. Weiter schreibt die Firma: «Wir wurden von den Mitarbeitern zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen, dass weitere Schutzbekleidung oder Atemmasken benötigt werden, sonst hätten wir diese selbstverständlich umgehend abgegeben.»

David Husmann, Anwalt der Arbeiter und Präsident des Vereins für Asbestopfer und Angehörige, sagt, da sei die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verletzt worden. Er prüft jetzt auch strafrechtliche Schritte.

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