Asylsuchende in der Schweiz sollen künftig nicht mehr nach dem Zufalls-Prinzip auf die Kantone verteilt werden, sondern gesteuert durch künstliche Intelligenz. Nationalrat Balthasar Glättli, Fraktionschef der Grünen, äussert sich positiv, meldet aber auch Bedenken an. Er hat sich im Parlament bereits für eine bessere Berücksichtigung der Sprachkenntnisse bei der Kantonszuteilung stark gemacht.
SRF News: Sie haben auf Twitter erfreut auf den Algorithmus reagiert, aber auch mit gewissen Vorbehalten. Wieso?
Balthasar Glättli: Bisher hat man den Computer ja auch schon eingesetzt – allerdings um Personen gegen jeden Menschenverstand zufällig auf die Kantone zu verteilen. Jetzt soll intelligenter verteilt werden. Ich frage mich aber, warum dann beispielsweise Menschen mit Französischkenntnissen nicht gleich an die welschen Kantone zugewiesen werden sollen.
Soll damit nicht die von den Kantonen ungewollte «Ghettoisierung» in einer Sprachregion verhindert werden?
Genau das verstehe ich nicht. Denn der Rucksack, den die Menschen auf der Flucht mitbringen, soll ganz ausgepackt und voll genutzt werden. Sei es für eine beschränkte Zeit, sei es, dass jemand länger bleibt und hier ein Leben aufbaut. Beim Thema «Ghettoisierung» denkt man an Aussenquartiere von Brüssel oder Paris. In allen Westschweizer Kantonen wird aber Französisch gesprochen, zum Teil sind es gar zweisprachige Kantone wie Bern. Überall dort hätten französisch-sprechende Asylbewerber eine extrem viel bessere Startchance. Es wäre blöd, diesen Menschen als erstes teure und mühsame Deutschkurse in Zürich oder im Bündnerland zu geben.
In den meisten Herkunftsländern wird keine Schweizer Landessprache gesprochen. Ist da der Sprach-Ausschluss nicht logisch?
Tatsächlich soll der Algorithmus auf das Wichtige schauen und nicht auf das, was mir oder den Kantonen passt. Wenn aber Menschen bereits eine Sprache beherrschen, die in der Schweiz gesprochen wird, sollte das berücksichtigt werden. Und wenn es nur wenige sind, ist die Angst vor einer «Ghettoisierung» umso unbegründeter.
Fehlen im Konzept noch andere Kriterien neben der Sprache?
Ich denke zum Beispiel an berufliche Erfahrungen oder Ausbildungen universitärer Art. Allerdings kenne ich den Algorithmus noch nicht im Detail. Ich hoffe aber, dass neben Alter, Geschlecht und Herkunftsland weitere Elemente berücksichtigt werden. Besonders stossend ist heute, dass Menschen mit einem Universitätsabschluss, beispielsweise Ärzte aus Syrien, nach einer Schnellbleiche nicht einmal als medizinisches Unterstützungspersonal zugelassen werden.
Das Interview führte Hans Ineichen.