«Eine religiöse Konversion ist eine existenzielle Neuorientierung, eine Zäsur zwischen einem Davor und Danach.» So beginnt die Studie der evangelisch-reformierten Kirche Schweiz EKS. Ein Religionswechsel ist demnach ein regelrechter Kraftakt.
Da erstaunt es nicht, dass von durchschnittlich 20'000 Asylsuchenden pro Jahr in der Schweiz nur einige wenige zum Christentum konvertieren, anders als beispielsweise in Deutschland. Dort sind es Hunderte.
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Die geringe Anzahl bei uns sei aber kein Grund, sich nicht mit dem Thema auseinanderzusetzen, sagt David Zaugg. Der Religionswissenschaftler ist Mitautor der EKS-Studie.
«Wie schauen wir als Kirche auf Konversion im Zusammenhang mit Flucht und Asyl? Was bedeutet die Taufe?», beschreibt Zaugg die Problematik. Aufgezeigt würden aber auch die aus einer Konversion entstehenden Herausforderungen für die Asylbehörden.
Konversion aus «ernsthafter Überzeugung»?
Der Mediensprecher des SEM, dem für Asylentscheide zuständigen Staatssekretariat für Migration, Lukas Rieder, erklärt die Rechtslage so: «Die asylsuchende Person muss glaubhaft machen, dass eine Konversion auf ernsthaften Überzeugungen beruht.»
Ebenso müsse sie glaubhaft machen, dass sie bei einer allfälligen Rückkehr in ihre Heimat als Christ objektiv begründete Furcht haben müsse und/oder die Religion dort nicht ausüben könne.
Dazu analysiert das SEM fortlaufend die Bedrohungslage in den jeweiligen Herkunftsländern. In der Tat kann der Abfall vom Islam in gewissen Staaten ein Todesurteil bedeuten. Doch wie kann das SEM herausfinden, ob jemand wirklich an den christlichen Gott glaubt?
Die Details des Vorgehens könne er nicht publik machen, sagt Mediensprecher Rieder. «Doch die Motivation des Glaubenswechsels, der Konversionsprozess oder das Umfeld können Hinweise auf die Glaubhaftmachung geben.»
EKS: Es braucht viel Sensibilität
Vielleicht entscheiden sich manche Menschen zunächst tatsächlich aus opportunistischen Gründen für eine Konversion zum Christentum. Doch die meisten Konvertiten würden ihren neuen Glauben sehr aktiv leben und gingen häufig in die Kirche, sagt Zaugg von der EKS.
Die Erfahrung der Geborgenheit in der neuen Glaubensgemeinschaft, eine Taufe und der regelmässige Gottesdienst könnten aber durchaus dazu führen, dass aus ursprünglichem Opportunismus echter Glaube entsteht, so Zaugg. Doch von aussen könnten dies weder Kirche noch Staat wirklich durchschauen.
Umso wichtiger sei es, dass die zuständigen Beamten des SEM die nötige Sensibilität mitbrächten, betont Zaugg. «Eine Sensibilisierung und ein Austausch wären wichtig.» Das SEM «könnte und sollte» dabei auf das Wissen und die Kompetenz der Kirche zurückgreifen, sagt Zaugg.
Unsere Leute bringen eine enorme Sensibilität und grosses Wissen mit.
Dieser Austausch zwischen Kirchen und Behörden findet in einem gewissen Mass bereits statt, wie SEM-Sprecher Rieder bestätigt. Allerdings sei die Fachkompetenz der Beamtinnen und Beamten ausreichend: «Unsere Leute bringen eine enorme Sensibilität und grosses Wissen mit, auch verfügen sie über einen sehr weiten akademischen Erfahrungsschatz und kennen die Rechtsprechung.»
Immerhin: Die Studie der EKS bietet eine erste Auslegeordnung. Geplant sind nun ein Handout für die Kirchen und eine Tagung, zu der auch Vertreter des Staatssekretariats für Migration eingeladen werden.