Beschleunigte Asylverfahren in eigens dafür eingerichteten zentralen Bundeszentren, dafür mit ausgebauten Rechtsmitteln für die Asylbewerber: Das will das neue, verschärfte Asylgesetz. Die SVP hat das Referendum ergriffen, weil den Asylbewerbern im Verfahren sogenannte «Gratis-Anwälte» zur Verfügung gestellt werden können – und der Bund für die geplanten Zentren als letztes Mittel auch Enteignungen aussprechen kann. Das Referendum kommt am 5. Juni vors Volk.
Die erste SRG-Umfrage vom Institut gfs.bern zeigt nun: Würde heute über die Vorlage abgestimmt, wäre eine Mehrheit von 59 Prozent eher oder bestimmt für die Asylgesetzesrevision. Eine Minderheit von 30 Prozent ist eher oder bestimmt dagegen. Aber: «Es gibt vergleichsweise viele Zögerliche», wie Politologe Claude Longchamp von gfs.bern ausführt.
Tatsächlich ist der Anteil jener, die bereits heute mit Bestimmtheit wissen, wie sie abstimmen wollen, mit insgesamt 47 Prozent verhältnismässig tief. Die Meinungsbildung ist also noch nicht abgeschlossen. «Eine Veränderung der Stimmabsichten ist sehr wohl möglich», sagt Longchamp.
Polarisierung «nicht stark ausgeprägt»
Gegner wie Befürworter steigen mit «mehrheitsfähigen Argumenten» in den Abstimmungskampf, wie Longchamp ausführt: So stehen 80 Prozent der Befragten beispielsweise hinter dem Argument «mit den beschleunigten Asylverfahren können Personen, die in der Schweiz bleiben dürfen, rascher integriert und die anderen konsequent abgewiesen werden». Auf der anderen Seite bejahen aber auch 70 Prozent der Befragten die Feststellung: «Enteignungen von Land im Gemeinde- oder Privatbesitz zum Bau von Asylzentren darf es nicht geben.»
Würde heute abgestimmt, stünde auch bei den meisten Parteisympathisanten ein Ja auf dem Abstimmungszettel. Am deutlichsten befürworten die SP-Wähler die Vorlage, es folgen die Grünen, FDP und CVP. Selbst bei den Wählern der SVP sprechen sich derzeit 49 Prozent für die Vorlage aus, 46 Prozent sind dagegen. Damit zeigt sich: Bisher ist die Polarisierung «nicht sonderlich stark ausgeprägt», wie Longchamp sagt.
Dies erklärt sich mit der Geschichte der Vorlage. So strebt sie eine härtere Gangart in der Asylpolitik an, wie die meisten vorgängigen Gesetzesrevisionen dies getan hatten. Nur komme das Referendum gegen die Vorlage diesmal von rechts – und nicht wie bei Verschärfungen der Asylgesetzgebung «gewohnt von links», so Longchamp. Dies führe auf der linken Seite zu höheren Zustimmungswerten als üblich. Und: «Auf der rechten Seite hat der Aufruf der SVP zum Nein noch nicht voll durchgeschlagen». Es sei davon auszugehen, dass eine verschärfte Debatte im Abstimmungskampf noch Resonanz haben wird: «Die Polarisierung dürfte noch kommen», sagt Longchamp.
Wie sich die Meinungsbildung weiterentwickeln kann
Für die weitere Meinungsbildung sind für den Politologen deshalb zwei Szenarien denkbar: Im Normalfall wird die Polarisierung weiter zunehmen, also verteilen sich die Unentschiedenen auf die Ja- und Nein-Seite. Unter diesen Bedingungen rechnet Lonchamp mit einem Ja zur Vorlage.
Es sei aber auch ein Spezialfall denkbar, nämlich dann, wenn der Abstimmungskampf zu einem Protesturnengang führe. Dabei würden die Ja-Stimmen abnehmen und die Nein-Stimmen zunehmen, der Ausgang der Abstimmung wäre offen. «Voraussetzung ist eine Mobilisierung der Bürgerinnen und Bürger, die der Regierung gegenüber misstrauisch eingestellt sind.»
In der aktuellen Umfrage zeigt sich dies bisher nicht: Auch 49 Prozent der Misstrauischen stehen derzeit hinter der Asylgesetzrevision. Von einer «Misstrauensvorlage» könne man deshalb derzeit nicht sprechen, so Longchamp. Auch dass die SVP auf eine grosse Kampagne gegen die Vorlage verzichten will, schwäche «die Chancen eines erheblichen Meinungswandels».
SRF 4 News, 17:00 Uhr; cukj