Die Pro-Service-public-Initiative will neue Grundätze im Bereich der Grundversorgung etablieren. Sprich: Die Post, SBB und Swisscom sollen nicht mehr nach Gewinn streben dürfen, auf Quersubventionierungen verzichten und keine steuerlichen Interessen verfolgen.
Im Parlament hat das Volksbegehren überhaupt keine Zustimmung gefunden. Nicht ein National- oder Ständerat befürwortet es. Anders die Stimmung im Volk: Würde heute über die Vorlage abgestimmt, hätten 58 Prozent der Schweizer bestimmt oder eher ja gesagt, 26 bestimmt oder eher nein. Dass eine Kluft zwischen teilnahmewilligen Bürgern und Parlamentariern besteht, zeigt sich in fast allen Parteien.
Eine schlaue Formulierung und ein Robin-Hood-Element
Doch wie kommt es zu diesem «Elite-Basis-Konflikt»? Warum stösst die Vorlage gemäss der SRG-Umfrage zumal im Volk auf eine mehrheitsfähige Zustimmung? Politikwissenschafterin Martina Mousson von gfs.bern nennt zwei Gründe. Einerseits sei die Initiative «schlau formuliert». «Wer ist schon gegen einen Service public?» fragt sie. Zum anderen beinhalte das Volksbegehren, indem es die Lohnfrage aufgreife, ein «Robin-Hood-Element».
Tatsächlich ist die Kritik am Verdienst der SBB-, Swisscom- und Postmanager mit 70 Prozent Zustimmung das populärste Argument auf der Befürworterseite. 69 Prozent der Teilnahmewilligen pflichten aber auch dem zweiten Argument des Ja-Lagers bei: dass der Leistungsabbau bei den (halb-)staatlichen Betrieben gestoppt werden müsse.
Die Stimmabsichten dürften noch zu hoch sein
Am allermeisten leuchtet den Befragten indes ein Argument der Gegnerschaft ein. 82 Prozent folgen dem Nein-Lager in der Überlegung, dass die Grundversorgung in der Schweiz gut funktioniere. 54 Prozent sprechen sich ferner gegen ein Gewinnverbot aus, zumal mit einer solchen Prämisse den Betrieben das Geld für Investitionen ausgehen könnte.
Allein die gfs-Studie betont: Wer der Meinung ist, dass die Grundversorgung zufriedenstellend sei, muss nicht zwangsläufig ein Ja in die Urne legen. Dieser Mangel an Signifikanz gelte hingegen nicht, wenn man das Gewinnverbot kritisiere. Grundsätzlich lege ein Vergleich vom Ja-Stimmen-Anteil mit den Argumenten nahe, dass ersterer gegenwärtig (noch) zu hoch sei, so Politologin Mousson.
Wer ist schon gegen einen Service public?
Positionen sind erst vage bezogen
Noch aus einem anderen Grund sind die 58 Prozent von Befürwortern der «Pro-Service-public-Initiative» zu relativieren. Die Meinungsbildung ist derzeit noch nicht allzu weit fortgeschritten. 41 Prozent der Stimmabsichten sind bei der Befragung dezidiert, aber 43 Prozent nur tendenziell ausgefallen. Will heissen: Wenn unter den vagen Befürwortern 8 Prozent ihre Ansichten wechseln, ist die Zustimmungsmehrheit hinfällig.
Ein solcher Meinungswechsel ist ein realistisches Szenario. Denn zum einen haben die Gegner der Initiative ihre Kampagne erst im Umfeld der Befragung gestartet. Zum anderen wenden sich Unentschiedene laut Mousson bei Volksbegehren grundsätzlich eher dem Nein-Lager zu.
So kommt das gfs.bern-Team zu folgendem Schluss: «Wir rechnen mit einem Anwachsen der Ablehnung und einem Rückgang der Zustimmung im Abstimmungskampf.»
Polarisierung nur gering
Wendet sich das Blatt noch, würde das in der Tendenz die parteipolitische Mitte freuen, die Peripherie hingegen ernüchtern. Denn: Die Service-public-Initiative stellt für einmal nicht die linke der konservativen Wählerschaft gegenüber, sondern rückt diese einander näher. Konkret sagen die SP-Wähler zu 70 Prozent ja, die der Grünen zu 68 Prozent und die der SVP zu 62 Prozent. Demgegenüber befürworten die CVP-Wähler die Vorlage zu 55 Prozent und die FDP-Wähler – ohne absolute Mehrheit – zu 48 Prozent.
Mit 22 Prozentpunkten Unterschied ist die Kluft zwischen SP- und FDP-Wählern im Ja-Anteil aber relativ klein. Und von einer Polarisierung kann wenn, dann nur im geringen Masse die Rede sein.
Sendebezug: SRF 4 News, 17:00 Uhr