Am 27. November stimmen die Schweizer Stimmbürger und Stimmbürgerinnen über die Atomausstiegs-Initiative der Grünen ab. Diese verlangt, dass die hiesigen AKW nach einer Laufzeit von 45 Jahren vom Netz genommen werden müssen. Konkret würde dies bedeuten, dass drei der fünf bestehenden AKW bereits 2017 stillgelegt würden. Die zwei übrigen würden 2024 beziehungsweise 2029 folgen.
Macht dieser Ausstieg Sinn oder droht der Schweiz damit der Black-Out? Die wichtigsten Fragen im Überblick.
Sicherheit
Für Grünen-Präsidentin Regula Rytz ist klar: «Ein Unfall ist überall möglich.» Das Beispiel des Atomunfalls im japanischen Fukushima habe gezeigt, dass auch hochtechnisierte Länder nicht davor gefeit seien. In der Schweiz stehe mit Beznau I «das älteste AKW der Welt». Es werde zunehmend schwierig, die Sicherheit der alten Anlagen zu gewährleisten. Deshalb mache es Sinn, die ältesten AKW schon im nächsten Jahr vom Netz zu nehmen.
Umweltministerin Doris Leuthard hält entgegen, dass «Alter nicht gleich Sicherheitszustand» sei. Die Anlagen würden stetig überprüft und nachgerüstet. So sei zu jedem Zeitpunkt «die höchstmögliche Sicherheit» gewährleistet. In einem europäischen Stresstest hätten sie zudem «hervorragend abgeschnitten». Ein schneller Ausstieg komme einer «Zwängerei» gleich.
SP-Nationalrat Beat Jans sieht aber genau bei dieser Nachrüstung ein Problem. Die Stromkonzerne seien hochverschuldet «und wehren sich juristisch gegen Auflagen» der Aufsichtsbehörde Ensi. Diese habe selbst verlangt, dass sie mehr Möglichkeiten bekomme, um die Sicherheit zu gewährleisten. «Mit dem Alter der Anlagen wächst das Restrisiko», so Jans.
Für Bundesrätin Leuthard zeigt aber allein die Tatsache, dass derzeit zwei AKW vorübergehend vom Netz genommen worden sind, dass «die Experten vom Ensi gute Arbeit leisten und wir uns auf sie verlassen können». Ein Restrisiko gebe es immer. Dieses gelte es aber zu managen, wie in anderen Bereichen auch.
Versorgungssicherheit
Wenn im kommenden Jahr drei AKW vom Netz genommen würden – wie dies die Initiative fordere – so fehle der Strom für 1,6 Millionen Haushalte «permanent», rechnet Bundesrätin Leuthard vor. Dies müsste mit Importen kompensiert werden. Denn zurzeit könnten die erneuerbaren Energien das entstehende Loch schlicht nicht stopfen.
Für SVP-Nationalrat Christian Imark ist dabei klar: «Importiert wird dann Strom aus Gas- oder Kohlekraftwerken», was den Ausstoss an CO2 erhöhe. Denn nur diese Anlagen könnten – zum Beispiel in Deutschland – kurzfristig «ihre Leistung erhöhen». Denn Windenergie gebe es nur, «wenn der Wind auch bläst».
Grünen-Nationalrätin Rytz räumt zwar ein, dass die erneuerbaren Energien in der Schweiz derzeit noch nicht sämtliche AKW ersetzen könnten. Aber: «Es warten 50'000 Projekte für erneuerbare Energien auf ihre Umsetzung.» Dies wäre ein enormer Schub für die Schweizer Wirtschaft. Zudem zeige sich ja schon jetzt, dass es keine Versorgungsengpässe gebe, obwohl derzeit «die Hälfte der AKW vom Netz genommen» worden seien.
SP-Nationalrat Beat Jans verweist zudem darauf, dass es auf dem europäischen Strommarkt derzeit massive «Überkapazitäten» gebe: «Wenn die Schweizer AKW vom Netz gehen, wird deshalb kein einziges neues Kohlekraftwerk gebaut.»
Atommüll
Für die Entsorgung des radioaktiven Mülls gebe es «immer noch keine Lösung», erklärt Nationalrätin Rytz. Nirgends auf der Welt gebe es derzeit ein sicheres Endlager. Nationalrat Jans glaubt, dass auch deshalb eine Annahme der Initiative wichtig sei. «Erst wenn wir wissen, wann die Anlagen abgeschaltet werden, wissen wir, um wieviel Abfall wir uns kümmern müssen.»
Für SVP-Nationalrat Imark ist die Entsorgung hingegen «technisch gelöst». Man wisse genau, wie man dies machen wolle. Die Hürden seien mehr politischer Natur.
Bundesrätin Leuthard räumt zwar ein, dass der Abfall «ein Problem» ist. Jedoch sei ein Sachplanverfahren in Gang.
Der Bundesrat werde zwei Standorte für die sichere Endlagerung bald vorstellen können. Doch die Frage habe eigentlich nichts mit der Initiative zu tun: «Den Müll müssen wir so oder so entsorgen.»