Ester Blum sitzt in ihrem Wohnzimmer, draussen klatscht der Regen an die Scheiben. Geheizt wird ihre Wohnung im aargauischen Döttingen mit Fernwärme aus den beiden Atomkraftwerken Beznau. «Ich habe ein Urvertrauen zur Atomkraft», sagt die ehemalige Pflegefachfrau. «Ich kriege ja mit, wie streng alles kontrolliert wird.» Ihr Partner, Erich Oeschger, hat im AKW die Brennstäbe ausgewechselt. Eine gefährliche Arbeit. «Angst hatte ich da nicht», sagt er. «Es war einfach mein Job.»
Die beiden haben Jodtabletten zu Hause. Bei einem Reaktorunfall müssten sie die Pillen sofort schlucken. «Ich würde sie im Ernstfall nicht nehmen», sagt Ester Blum zur «Rundschau». «In Döttingen sind wir mitten im Hotspot, wir kriegen die ganze Ladung ab. Unser Boden wäre tausend Jahre verseucht. Da will ich lieber schnell sterben.»
«Wir sind bereit»
Dennoch wären Ester Blum und ihr Partner einverstanden, wenn die Gemeinde ein neues AKW aufstellen würde. Damit stellen sie sich hinter Gemeindeammann Michael Mäder. Seit der Bundesrat erwägt, das Bauverbot für neue AKWs aufzuheben, liess der Döttinger Amman bereits öffentlich verlautbaren: «Wir sind bereit.» Für den SVP-Politiker ist die Kernenergie «zu hundert Prozent sicher». Er kenne die Menschen, die dort arbeiten. Sie machten einen guten Job.
Dazu kommen wirtschaftliche Gründe. Döttingen hat rund 4500 Einwohner, die beiden AKWS Beznau 1 und 2 bieten rund 500 Arbeitsplätze. Und wenn doch etwas passiert? «Ich wäre der letzte, der Döttingen verlassen würde», versichert Michael Mäder. «Wir haben Notfalltreffpunkte bestimmt und es gibt Pläne, wie wir unsere Leute evakuieren und in andere Kantone bringen.»
Kaum kritische Stimmen im Dorf
Die Atomkraftwerke im Aargau gehören zu den ältesten betriebenen Kraftwerken weltweit. Die Döttinger stört das nicht: Über achtzig Prozent stimmten gegen den Atomausstieg. Es gibt kaum kritische Stimmen im Dorf.
Am Stammtisch im Gasthof «zur Blume» lachen die Gäste: «Es gibt schon ein paar Gegner hier im Dorf. Aber die trauen sich nichts zu sagen.»