Apotheken können künftig einige rezeptpflichtige Medikamente selbst abgeben, müssen aber ihre Kunden zuvor fachlich beraten. Der Nationalrat hat sich bei der Beratung des revidierten Heilmittelgesetzes für diesen Weg entschieden und damit gegen die Ärzteschaft gestellt, die bereits mit einem Referendum droht.
Der in den letzten Wochen öffentlich ausgetragene Streit zwischen Ärzteschaft und Apothekern hat sich am Mittwoch im Nationalrat jedoch nicht wiederholt: Die Ausbildung der Apotheker rechtfertige es, diesen mehr Kompetenzen zu gehen, sagte Kommissionssprecher Jean-François Steiert (SP/FR).
Der Bundesrat wollte im Entwurf bei der geltenden Regelung bleiben, wonach Apothekerinnen und Apotheker verschreibungspflichtige Medikamente nur in Ausnahmefällen ohne Rezept herausgeben dürfen. Nach dem Willen des Nationalrats kommt ihm nun die Aufgabe zu, zu definieren, welche Medikamente Apotheker in Eigenregie abgeben dürfen.
Rezeptpflicht für Ärzte - auch ohne Papier möglich
Marktanteile dürfte die Ärzteschaft auch die neue Rezeptpflicht kosten: Ärzte müssen künftig in jeden Fall ein Rezept ausstellen, auch dann, wenn das Medikament vom Arzt direkt in der Praxis abgegeben wird.
Damit sollen Patientinnen und Patienten die Wahl bekommen, ob sie das Medikament beim Arzt oder beim Apotheker beziehen wollen. Der Rat milderte die Regelung gemäss einem Einzelantrag von Ruth Humbel (CVP/AG) insofern, als dass der Patient auf das Ausstellen eines Papier-Rezepts verzichten kann.
Nach Schätzungen des Ärzteverbands FMH kostet das Ausstellen der Rezepte zusätzlich 100 bis 150 Millionen Franken pro Jahr.
Drogerien dürfen alle rezeptfreien Medikamente führen
Auch die Kompetenz von Drogerien soll ausgeweitet werden. Diskussionslos stimmte die Grosse Kammer einem Vorschlag des Bundesrats zu, dass Drogerien künftig alle nicht verschreibungspflichtigen Medikamente abgeben dürfen. Einige Heilmittel wie Tees oder Hustenpastillen sollen künftig sogar im Detailhandel erhältlich sein.
Härtere Linie im Versandhandel
Auf Antrag der Kommission und mit Zustimmung des Bundesrats will der Nationalrat auch den Versandhandel mit Medikamenten strenger regeln. Arzneimittel auf Bestellung zu verkaufen ist heute nur dann möglich, wenn ein Rezept vorliegt, auch für nicht verschreibungspflichtige Medikamente.
Dass die Versandhandlung das Rezept für die Patientinnen und Patienten gleich selber besorgt, wie dies heute gemacht wird, soll künftig nicht mehr möglich sein: Der Nationalrat hat die Regelung gutgeheissen, wonach ein Rezept vor der Bestellung vorliegen muss. Sie muss aber nicht vom Patienten selbst mit der Bestellung eingereicht werden.
Rat gegen eine Antibiotika-Datenbank
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung kann auch für den Menschen gefährlich werden. Schon heute gibt es für viele Erreger keine wirksame Therapie mehr. Die Schaffung einer Antibiotika-Datenbank bei der Revision des Heilmittelgesetzes, wie dies die Gesundheitskommission vorschlug, hat der Nationalrat dennoch abgelehnt.
Er gibt dem Bundesrat aber die Kompetenz, Massnahmen zur Reduktion von Antibiotikaresistenzen zu ergreifen. Konkret soll die Regierung Massnahmen zur Senkung des Antibiotikaverbrauchs in der Tiermedizin treffen können. Bestimmte Wirkstoffe soll der Bundesrat ganz verbieten können, wenn dies nötig ist, um wirksame Therapien beim Menschen sicherzustellen.