Es war das Bild der Bilder im Oktober 2013: Ein Lastwagen kippt eine Ladung von acht Millionen Fünfräpplern im Wert von 400'000 Schweizer Franken auf den Bundesplatz. Gleichzeitig mit der Aktion reichten Initianten der «Bedingungsloses Grundeinkommen»-Initiative die erforderlichen 100'000 Unterschriften bei der Bundeskanzlei ein. Genauso spektakulär scheiterte dann die Initiative ein Jahr später an der Urne, 77 Prozent der Schweizer Stimmbevölkerung lehnten sie ab.
Gleiches passierte dieses Wochenende in Luzern, nur weniger spektakulär. Die Initianten wollten in der Leuchtenstadt in einem wissenschaftlich begleiteten Pilotprojekt das Modell des bedingungslosen Grundeinkommens lokal auf seine Brauchbarkeit testen. Während mindestens 36 Monaten hätte eine Gruppe Menschen ohne Gegenleistung ein monatliches Grundeinkommen erhalten, unabhängig von ihrem Vermögen, Einkommen und Berufsstatus.
Fundamentale Abkehr vom jetzigen Verständnis
Doch warum stehen die Schweizerinnen und Schweizer dem «Gratisgeld» so skeptisch gegenüber? Für die Politologin Isabelle Stadelmann-Steffen von der Universität Bern ist das Modell des Schweizer Wohlfahrtstaates mitverantwortlich dafür. Die Schweiz setze auf Eigenverantwortung und bei vielen sozialpolitischen Programmen auf das Versicherungsprinzip. Mit anderen Worten, man bekommt mehr, wenn man mehr einbezahlt hat. «Ein Wechsel zu einem Grundeinkommen wäre eine fundamentale Abkehr von diesem Verständnis.»
Ein Grundeinkommen geht laut Stadelmann-Steffen immer mit einem sehr hohen Grad an Universalität einher: «Unabhängig vom eigenen Beitrag sollen soziale Leistungen möglichst alle abdecken.» Das Konzept der Universalität sei stark verankert in sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaaten (wie etwa Schweden oder Dänemark), nicht so aber in der Schweiz. «Die Einführung eines Grundeinkommens wäre in den meisten Ländern ein grosser Schritt, doch in Ländern wie der Schweiz ist er noch etwas grösser.»
Grundeinkommen nicht gleich Grundeinkommen
Weniger klar als in Luzern scheiterte ein ähnlich progressiver Vorschlag für einen Grundeinkommen-Versuch 2022 in der Stadt Zürich, 54 Prozent stimmten dagegen. Es ist bekannt, dass Grundeinkommen-Initiativen in progressiven Städten eher auf Gehör stossen und Vorstösse oft aus linken Kreisen kommen.
Isabelle Stadelmann-Steffen gibt aber zu bedenken, dass das nicht immer so sein müsse. Es gebe auch Varianten von Grundeinkommen, die eher als Sparmassnahme konzipiert seien und aus rechten Kreisen kämen, wie etwa das Experiment in Finnland vor ein paar Jahren. Dort werde dann versucht, gleichzeitig mit dem Schaffen eines Grundeinkommens andere Sozialleistungen abzuschaffen – und so insgesamt Geld zu sparen.
Zehn Jahre nach der letzten nationalen Initiative ist vergangenen Januar ein neuer Anlauf für ein schweizweites Grundeinkommen gescheitert. Für die Initiative «Leben in Würde – für ein finanzierbares Grundeinkommen» konnten nicht genügend Unterschriften gesammelt werden.
Laut Stadelmann-Steffen könnte ein weiterer Grund für das Scheitern sein, dass Grundeinkommen-Initiativen gerade in progressiven Varianten mit Mehrausgaben einhergehen. «Solche Anliegen haben es in Zeiten von multiplen Krisen sicher schwerer.»