Ob die Aufhebung der Wehrpflicht wirklich ein so wichtiges Thema ist, fragt Evi Allemann (SP/BE) zu Beginn der Debatte. Sie spricht sich dafür aus, die Initiative der GSoA anzunehmen. Die Wehrpflicht sei in der heutigen Zeit mit der aktuellen Bedrohungslage nicht mehr zu rechtfertigen. Sie sei Zeit- und Geldverschwendung.
Anders sieht dies Alec von Graffenried (Grüne/BE). Er will die Wehrpflicht nicht abschaffen, aber umbauen und modernisieren. Konkret stellt er einen Antrag auf einen Gegenvorschlag zur GSoA-Initiative: Die Wehrpflicht soll durch eine allgemeine Dienstpflicht ersetzt werden. Das heisst, dass die Dienstpflichtigen zwischen dem Militär- und einem zivilen Ersatzdienst wählen sollen. Beide Dienste sollen gleich lange dauern.
Sicherheit durch weniger Waffen zuhause
Seine Parteikollegin Franziska Teuscher (Grüne/BE) will von dem Gegenvorschlag nichts wissen. Die Initiative jedoch will sie unterstützen. Es brauche keine bewaffnete Armee, um Aufbau- und Räumungsarbeit zu leisten, betont sie. «Wenn das WEF für die Begründung für die Armee herhalten muss, muss man sich ernsthaft fragen, was die Wehrpflicht noch soll.» Zudem werde die Armee sicherer, wenn weniger Waffen zuhause herumliegen.
Die Grünliberalen wollen von Graffenrieds Gegenvorschlag unterstützen, wie Beat Flach (GLP/AG) betont. Er wünsche sich eine Welt ohne Krieg und ohne Armeen. Leider werde aber auch in Zukunft immer wieder damit zu rechnen sein, dass Konflikte mit Gewalt ausgetragen würden. Die Armee der Zukunft solle kleiner und agiler sein.
Geri Müller (Grüne/AG) ist sich nicht sicher, ob die GSoA die richtige Absenderin dieser Initiative ist. Denn die Initiative wolle die Armee ja nicht abschaffen. «Müssen wir die Leute dazu zwingen, etwas Sinnvolles zu tun?», fragt Müller im Parlament. Die Initiative könnte eine neue Diskussion auslösen. Die Armee müsste sich fragen, wie sie sich attraktiver mache für junge Leute. «Die Jungen sollen auch ausbildnerisch profitieren können. Die Initiative ist eine Chance.»
Unterstützung bei nationalen und internationalen Problemen
Gegen die Initiative votiert Ursula Haller Vannini (BDP/BE). Sie spricht von der aktuellen Bedrohungslage durch die Geschehnisse in Libyen, Syrien oder Israel. «Alle Länder nur wenige Flugstunden entfernt.» Dies müsse aufhorchen lassen. Die Armee müsse auf den internationalen Terrorismus oder den nationalen Extremismus die richtigen Antworten haben.
Die Armee soll die zivilen Behörden in Krisen und bei Naturkatastrophen unterstützen. Die Bevölkerung wünsche sich eine Armee, die dank Spezialisierung vielfältig verfügbar sei und technisch auf dem neusten Stand. «Im Namen der BDP bitte ich Sie, die Initiative abzulehnen.»
Soziale Kompetenzen, Respekt und Toleranz
Auch der Zürcher SVP-Nationalrat Hans Fehr spricht sich vehement gegen die GSoA-Initiative aus. Das Schweizer Milizsystem verlange, dass jeder, der dazu in der Lage sei, im Militär seinen Beitrag leiste. Es gehe darum, die Bevölkerung, die Freiheit, die Unabhängigkeit, die Volksrechte und die sozialen Errungenschaften zu schützen und notfalls zu verteidigen – auch mit dem Einsatz des eigenen Lebens.
Mit Freiwilligenarbeit komme man nicht weiter, wenn der Einsatz des Lebens gefordert sei, so Fehr. Auch eine Berufsarmee komme nicht infrage: Diese sei unbezahlbar, gefährlich und könne zu einem Staat im Staate werden.
Gleicher Meinung ist sein Partei-Kollege Toni Bortoluzzi, ebenfalls Kanton Zürich:«Die Militärpflicht ist Teil unseres sicherheitspolitischen Konzepts.» Junge Männer würden in der Rekrutenschule soziale Kompetenzen lernen. Dies schaffe gegenseitigen Respekt und Toleranz. «Es ist schade, dass nur noch 65 Prozent der jungen Männer diese Lebensschule besuchen.»
Ziel ist eine kleine Freiwilligenmiliz
Mit der Volksinitiative «Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht» will die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) die Militärdienstpflicht für Schweizer Bürger abschaffen. Das Ziel der GSoA ist es, die gegenwärtige Armee durch eine kleinere Freiwilligenmiliz zu ersetzen. Auch die Wehrpflicht-Ersatzabgabe soll entfallen.
Der Bundesrat ist gegen die Volksinitiative. Er befürchtet, dass die Sicherheit der Schweiz gefährdet wäre, weil sich nicht genügend Frauen und Männer freiwillig melden. Ausserdem könnte eine Wiedereinführung der Militärdienstpflicht nur durch eine Verfassungsänderung erwirkt werden – und dies würde bei einer Bedrohung zu lange dauern.
Eine Kommissionsminderheit beantragt als zweiten direkten Gegenvorschlag, einen Bürgerdienst einzuführen, der für Schweizer obligatorisch ist. Der Bürgerdienst soll in der Armee, bei der Polizei, im Grenzwachtkorps oder bei der Feuerwehr, aber auch als Zivildienst geleistet werden können. Ausser zu Armee, Polizei oder Grenzwachtkorps sollen auch Ausländerinnen und Ausländer zugelassen sein. Der Nationalrat greift das Thema am Mittwoch wieder auf.