Über 100 Jahre wachte in Lützelflüh eine Traueresche über dem Grab des Berner Pfarrers und Schriftstellers Jeremias Gotthelf. Nun ist sie nicht mehr. Und das sorgt im Emmental für Aufregung. Aber von Anfang an. Die Traueresche auf dem Gotthelf-Grab wurde vor fast 150 Jahre zu Ehren von Jeremias Gotthelf gepflanzt, der in Lützelflüh gewirkt hatte.
Kürzlich kam eine Gruppe aus dem nahegelegenen Gotthelf-Zentrum am Grab bei der Kirche vorbei und staunte – die Esche war weg. Das Grab kahl. Heinrich Schütz spricht von einer «Nacht und Nebelaktion». Er gehört der Leitung des Gotthelf-Zentrums an, welches sich für das kulturelle Erbe des Schriftstellers einsetzt. Auch Nachkommen von Albert Bitzius, wie Gotthelf mit richtigem Namen hiess, sowie Fachleute aus dem denkmalpflegerischen Bereich zeigten sich nicht erfreut.
Die Traueresche beim Grab
Von diesem Streit berichteten kürzlich lokale Medien. Von einem «Trauerspiel» und «Skandal» war unter anderem die Rede. Die Einwohnergemeinde hatte zusammen mit der Kirchgemeinde die Esche entfernen lassen – aus Sicherheitsgründen. Und ohne die Angehörigen des Schriftstellers sowie die Personen des Gotthelf-Zentrums zu informieren. Diese reagierten erbost und äusserten den Wunsch, zumindest den abgesägten Baum zu erhalten – als Erinnerung. Zudem wollten sie das genaue Alter der Esche bestimmen.
Doch der Stamm der Esche blieb verschwunden. Der beauftragte Gärtner hatte ihn nach der Fäll-Aktion auf seinen Betrieb mitgenommen. Eine Nachfrage von SRF bei der zuständigen Kirchgemeinde zeigt: Die Esche ist für immer verloren. Dabei spielte auch ein blöder Zufall mit.
Der Zufall wollte es, dass ausgerechnet einen Tag nach der Fäll-Aktion eine Privatperson den Baumstamm beim Gärtner abholte. Diese Person war dem Gärtner aber nur vom Sehen bekannt.
Wie das Sekretariat der Kirchgemeinde auf Anfrage sagte, konnte der Mann nun ausfindig gemacht werden. Und das schlimmstmögliche Szenario in dieser Sache ist eingetreten. Die Traueresche von Gotthelf ist schon längst zersägt worden, in kleinste Stücke. Aus dem Baum wurde Brennholz.
Geschichte in Gotthelf-Manier
«Das Ganze ist irgendwie grotesk – in bester Gotthelf-Manier», sagt Heinrich Schütz vom Gotthelf-Zentrum. Er bedauert, dass der Baum für immer verloren ist. «Wir hätten uns vorstellen können, den Baumstrunk auszustellen.» Noch immer seien er und die anderen Personen des Führungsteams des Zentrums enttäuscht über das Vorgehen der Kirchgemeinde.
Noch offen ist, ob der Streit um die Traueresche gar ein juristisches Nachspiel hat: «Wir klären derzeit ab, ob alles rechtens war.»