Susanne Müller Zantop ist Mitglied eines Netzwerks von Reputationsfachpersonen und begleitet als Kommunikationsberaterin CEOs und Führungsleute. Sie hat mitverfolgt, wie die erfolgreiche Politikerin Sanija Ameti zu einer umstrittenen Person wurde und sagt, welche Lehren sie selbst aus dem Vorfall zieht.
SRF News: Was ist Ihnen bei der Causa Ameti aufgefallen?
Susanne Müller Zantop: Für mich war spannend, dass die jüngere Generation oft sehr mutig, sehr provokant ist und dann in grosse Fehler reinschlittert. Genauso wie bei den etablierten Wirtschaftsführern legt dies offen, dass sie ein Problem haben, das schon viel früher begonnen hat. Das Problem ist, dass hier jemand als fairer, vertrauenswürdiger, ehrlicher Sparringspartner gefehlt hat, der gesagt hat: «Oh, Vorsicht, du bist eine Frau, die schiesst. Das ist schon schwierig. Du verletzt ein christliches Glaubensgut. Und du schreibst noch einen frechen Insidertext. Bist du vielleicht zu begeistert von dir selber?» Das hat gefehlt. Und das fehlt bei Wirtschaftsführern ganz genauso. Für mich war es sehr lehrreich, zu erkennen: Egal welches Medium ich benutze, es kommt immer der Charakter mit.
Welche Möglichkeiten hat Ameti nun, ihren Ruf wiederherzustellen?
Ich würde empfehlen, eine Art Boxenstopp einzulegen. Man muss sich in einer solchen Situation fragen: Was ist passiert? Wer bin ich eigentlich? Wofür stehe ich? Was vertrete ich? Man könnte sich auch die Fragen stellen: Bin ich eine Provokateurin? Will ich das für immer sein? Bin ich irgendwann auch eine erwachsene Person, die auf eine andere Art kommunizieren kann?
Gibt es noch andere Strategien?
Die meisten Menschen in solch ähnlichen Situationen – ob verschuldet oder unverschuldet – treten erstmal den Rückzug an. Sie machen zwar einen Boxenstopp, aber sie verschwinden komplett in der Versenkung. Das ist eine schwierige Strategie, weil man sich dadurch selbst einsperrt und am Leben hindert, auch wenn man sich selbst eingesteht, eine Dummheit begangen zu haben. Das kann nicht die Lösung sein.
Wenn man in einer verantwortungsvollen, öffentlichkeitswirksamen Position ist, dann ist es umso wichtiger, vertrauenswürdige, faire, ehrliche Sparringspartner zu haben, die zu sagen trauen, dass man einen Blödsinn macht.
Sie sagen, häufig bringe ein einzelner Vorfall das Fass zum Überlaufen. Doch das Problem habe schon vorher bestanden. Wann müssen Menschen des öffentlichen Lebens beginnen, an ihrer Reputation zu arbeiten?
Eigentlich von Anfang an. Denn es ist die Reputation, die Türen öffnet. Ohne Reputation kann man keine Geschäfte machen, keine Kooperationen schliessen, auch keine Anstellung finden.
Es kann sein, dass man mit dem Aufstieg in Unternehmenshierarchien oder in politischen Hierarchien, dass man einfach zu viele Jasager um sich sammelt, die von allem begeistert sind.
Wenn man in einer verantwortungsvollen, öffentlichkeitswirksamen Position ist, dann ist es umso wichtiger, vertrauenswürdige, faire, ehrliche Sparringspartner zu haben, die zu sagen trauen, dass man einen Blödsinn macht. Es kann sein, dass man mit dem Aufstieg in Unternehmenshierarchien oder in politischen Hierarchien, dass man einfach zu viele Jasager um sich sammelt, die von allem begeistert sind. Wir selber sind natürlich als Reputationsexperten auch Sparringspartner, aber auch eine gute Freundin kann eine gute Sparringpartnerin sein.
Das Gespräch führte Yves Kilchör.