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Schuften auf Abruf: Eine ganz andere Hüttengeschichte
Aus Kassensturz vom 30.01.2018.
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Ausbeutung von Gastarbeitern Schuften auf Abruf: Eine ganz andere Hüttengeschichte

Das Wichtigste in Kürze:

  • Statt den versprochenen 100 Prozent können Angestellte im Horneggli bei Gstaad (BE) nur rund 5 Stunden pro Tag arbeiten, behaupten mehrere Angestellte. Sie kommen deshalb nicht auf ihren erwarteten Lohn.
  • Ein Angestellter muss in einem Kämmerchen hausen, das lediglich 6 Quadratmeter gross ist.
  • Die Gewerkschaft kritisiert in dem Fall mehrere Verstösse gegen den Gesamtarbeitsvertrag.
  • Die betroffene Kappeler Gastro AG weist jede Kritik an den Anstellungsverhältnissen zurück.

Der 34-jährige Ladislav Schwartz aus Tschechien arbeitet über die Wintermonate im Berner Oberland. Als er den Vertrag mit dem Pisten-Restaurant Horneggli unterschrieb, hatte er die Absicht, möglichst viel zu arbeiten und gutes Geld zu verdienen.

Ihm sei vor Vertrags-Unterzeichnung gesagt worden, dass er 100 Prozent arbeiten könne. Und so rechnete er sich aus, dass ihm mit seinem Stundenlohn Ende des Monats 2500 Franken bleiben würden. Das sei ausschlaggebend gewesen für seinen Entscheid.

Doch Ladislav Schwartz wurde bitter enttäuscht: Die Betriebszeiten des Restaurants waren kürzer als erwartet. Er konnte im Schnitt nur gerade fünf Stunden pro Tag arbeiten. Und das jeweils auf Abruf.

Der Tscheche bekam zwar einen Wochen-Einsatzplan. Doch seine Chefin warf diesen oft über den Haufen: «Teilweise wurde mein Dienst am Vorabend gestrichen oder ich musste nach zwei Stunden Arbeit wieder freimachen», erzählt der Tscheche in «Kassensturz».

Hausen wie in einer Gefängniszelle

Im Dezember konnte er daher nur 14 Tage arbeiten. Sein magerer Netto-Lohn für diese Zeit: 756 Franken. Und im Januar kam es noch schlimmer: Schwartz bekam von der Chefin öfters frei, die Arbeitszeiten wurden nochmals gekürzt.

Auf den Magen schlagen Ladislav Schwartz auch die unwürdigen Verhältnisse, in denen er im Horneggli leben muss: In seinem mickrigen Sechs-Quadratmeter-Zimmer bleibt nicht einmal Platz für ein Tischchen. Aufrecht stehen ist nicht möglich: Das Zimmer ist nur 1.73 Meter hoch.

Die Unterkunft ist kleiner als die meisten Gefängniszellen im Land, doch der Arbeitgeber zieht dafür von Ladislav Schwartz’ Lohn ordentlich Miete ab: 345 Franken pro Monat. «Das ist überhaupt nicht in Ordnung, für diese Wohnqualität viel zu viel», findet Schwartz.

«So etwas habe ich in 20 Jahren Gastronomie noch nicht erlebt.»

Mehrere Angestellte vom Horneggli bestätigen «Kassensturz» die prekären Arbeitsverhältnisse, zum Beispiel Karim Essakal. Auch er sagt, ihm sei ein volles Arbeitspensum versprochen worden. Doch auch er kann nur viel weniger arbeiten. Sein Dezember-Lohn: 604 Franken.

Auch er ist bitter enttäuscht: «Sie lachen mir ins Gesicht und sagen immer wieder, die Situation werde sich bessern. Ende Saison heisst es dann ‹Tschüss›, und nächstes Jahr steht ein neuer Kellner hier.» So etwas habe er in seinen 20 Jahren in der Gastronomie noch nicht erlebt. Essakal hat mittlerweile vorzeitig gekündigt.

Das Bergrestaurant Horneggli gehört zu einer Gruppe von 14 Gastro-Betrieben unter der Dachmarke «Hüttenzauber». Inhaberin ist die Firma Kappeler Gastro AG.

Gewerkschaft: Mehrere Verstösse gegen Gesamtarbeitsvertrag

Bei der Gewerkschaft Syna ist die Kappeler Gastro AG kein unbeschriebenes Blatt. Zentralsekretär Carlo Mathieu sieht mit den kurzfristigen Wochenarbeitsplänen und den ständigen Änderungen gleich zwei Verstösse gegen den Gastro-Gesamtarbeitsvertag: «Das ist nicht zulässig. Hier wird das unternehmerische Risiko auf die Mitarbeitenden abgewälzt, die geplanten Stunden müssten auch bezahlt werden.»

Ein besonders stossendes Detail im Vertrag von Ladislav Schwartz sei die ungewöhnlich lange Probezeit von drei Monaten – bei einer Vertragsdauer von dreieinhalb Monaten. Auch das ist für den Syna-Zentralsekretär inakzeptabel: «Der Arbeitgeber kann den Vertrag innerhalb von sieben Tagen auflösen, der Arbeitnehmer lebt so drei Monate in Ungewissheit. Und wenn ihm während der Probezeit gekündigt wird, hat er keinen Anspruch mehr auf den 13. Monatslohn.» Bei einer frühzeitigen Kündigung könne sich der Arbeitgeber diesen sparen.

Kappeler Gastro AG ist sich keiner Schuld bewusst

Genau das musste auch Ladislav Schwartz jetzt erleben. Die Kappeler Gastro AG hat seinen Vertrag vorzeitig gekündigt. Offiziell wegen ungenügender Arbeitsleistung. Schwartz vermutet eher, die Kündigung habe mit seinen Reklamationen zu tun.

Er macht sich auf die Suche nach einer neuen Arbeit. Das Horneggli und sein winziges Zimmer wird er bestimmt nicht vermissen.

Die Kappeler Gastro AG will zu den Fragen von «Kassensturz» nicht öffentlich Stellung nehmen und bestreitet alle Vorwürfe. Die Verträge würden alle gesetzlichen Bestimmungen erfüllen.

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