09:30 Uhr in der Mensa der Berufsfachschule Baden. In gut zwei Stunden werden gegen 200 Schülerinnen und Lehrer zum Mittagessen kommen. Die Vorbereitungen in der Mensaküche laufen: Céline, im ersten Lehrjahr zur Systemgastronomiefachfrau, macht das Salatbuffet bereit, Kochlehrling Josef formt 80 Knödel fürs Tagesmenü. So weit, so normal für ein Restaurant, doch etwas läuft hier trotzdem ganz anders.
Céline und Josef arbeiten als Lernende hier so autonom wie in kaum einem anderen Betrieb. Sie und fünf andere Lernende machen im Restaurant der Berufsfachschule Baden ihre Ausbildung und führen den Betrieb praktisch alleine. Von der Menuplanung über den Einkauf bis zum Marketing sind die Auszubildenden hier – unterstützt von drei Berufsbildnern – für alles selbst verantwortlich. Restaurantmanager Oliver Woischnik hat zwar die Aufsicht, er lasse die jungen Leute aber weitgehend selbständig arbeiten, sagt er.
Mit Vertrauen und Verantwortung zum Lernerfolg
Josef geniesst die Freiheiten – vor allem, wenn er sie mit Kollegen aus der Berufsschule vergleicht: «Im ersten Lehrjahr können die meisten in der Küche normalerweise nicht viel ausprobieren. Ich finde es schön, dass man mir vertraut.» Zwar klappe nicht immer alles auf Anhieb wie geplant, doch: «Aus Fehlern lernt man. Und wenn man viel Verantwortung übernimmt, wird man auch reifer.»
Initiiert hat das Lernenden-Restaurant Jacqueline Kohler, die Lehrlingsverantwortliche von SV Schweiz, der Firma, welche das Restaurant in Baden betreibt. Entwickelt habe sich das Projekt aus einer Projektwoche vor acht Jahren. Ziel sei es, Gastroberufe wieder attraktiver zu machen. «Die Lernenden sind hier in der vollen Verantwortung und können mittragen und mitgestalten.»
Die «Oberstifte» lernten die «Unterstifte» an, erklärt Restaurantmanager Woischnik das Prinzip. Dazu kämen interne Kurse von SV sowie die Berufsschule. Auch der Küchenchef habe ein Auge darauf, dass alles funktioniere, so sei auch sichergestellt, dass neben der Arbeit das Lernen nicht zu kurz komme. Zudem sind auch Buchhaltung und Finanzen in den Händen von Fachleuten.
Gute Praxisausbildung oder Minimierung der Lohnkosten?
Ein Restaurant fast nur mit Lernenden: Lassen sich damit nicht einfach Lohnkosten sparen? Im Gegenteil, betont Oliver Woischnik. Die Betreuenden hätten alle eine pädagogische Ausbildung. Zudem komme zweimal pro Woche ein Betriebscoach vorbei und bei Sonderanlässe stünden ausgelernte Mitarbeitende im Einsatz, welche die Auszubildenden wegen gesetzlicher Vorhaben nicht ersetzen könnten. Und: Die Jugendlichen fehlten öfter als «normale» Mitarbeitende wegen Kursen oder Berufsschule.
Auch die Tagesform schwanke bei den jungen Lernenden stärker als bei ausgelernten Mitarbeitenden, lacht der Restaurantmanager. Trotzdem sei er beeindruckt von der Reife der Auszubildenden. Man merke, dass sie in ihrer Lehre mehr Verantwortung übernehmen könnten.
Zufriedene Lehrlinge, zufriedener Restaurantmanager, aber wie kommt die von Lernenden geführte Mensa bei der Kundschaft an, bei Schüler und Lehrerinnen? Eine kurze Umfrage zum Ende der Mittagszeit ergibt im Grossen und Ganzen gute Noten. Man spüre kaum einen Unterschied zu einem Restaurant, wo Ausgelernte kochten, heisst es zum Beispiel. Es gebe bei der Qualität Ausreisser nach unten und nach oben, sagen andere.
Das Konzept soll in der Berufsfachschule Baden auf jeden Fall weitergeführt werden. Ab 2022 sollen noch zwei zusätzliche Lernende das Team verstärken, heisst es bei der Betreiberin.