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Ausweitung der DNA-Fahndung Ermittler dürfen künftig Täterprofile aus DNA-Spuren erstellen

Der Ständerat will Ermittlern die sogenannte Phänotypisierung in der Strafverfolgung erlauben – bei schweren Delikten.

Worum geht es? DNA-Spuren können wichtige Hinweise liefern, um in der forensischen Ermittlungsarbeit ein Täterprofil zu erstellen. Heute darf in der Schweiz aber aus einer DNA-Spur lediglich das Geschlecht herausgelesen werden. Dabei ist es technisch seit längerem möglich, viele andere Merkmale von Personen zu bestimmen – zum Beispiel die Augenfarbe. Man spricht dann von einer Phänotypisierung. Diese soll nun mittels des DNA-Profil-Gesetzes geregelt und zugelassen werden.

Was soll in Zukunft gelten?  Künftig sollen aus einer DNA-Spur auch die Augen-, Haar- und Hautfarbe, die biogeografische Herkunft und das Alter bestimmt werden können. Auch weitere Merkmale soll der Bundesrat festlegen können, wenn sich ihre Bestimmung künftig als zuverlässig erweist. Die Phänotypisierung soll zum Einsatz kommen, um auf Anordnung der Staatsanwaltschaft schwere Verbrechen aufzuklären.

So gehen andere Länder bei der DNA-Auswertung vor

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Skalpell an Zigarettenstummel
Legende: Keystone

Als erstes Land schufen die Niederlande im Jahr 2003 eine ausdrückliche rechtliche Regelung dafür in ihrer Strafprozessordnung. Diese sieht vor, dass das Geschlecht und die biogeografische Herkunft ausgewertet werden dürfen. Auch Augen- und Haarfarbe dürfen gemäss Ministererlass für Ermittlungen hinzugezogen werden. Weitere äusserlich wahrnehmbare Merkmale müssen ein spezielles Genehmigungsverfahren durchlaufen.

Seit Mai 2018 ist in der Slowakei eine Regelung der Phänotypisierung in Kraft. Sie sieht vor, dass zur Aufklärung besonders schwerer Delikte gegen Leib und Leben, die Freiheit und die menschliche Würde sowie zur Identifizierung einer Leiche oder abgetrennter Körperteile mittels DNA-Analyse äusserlich sichtbare persönliche Merkmale ausgewertet werden dürfen. Das Gesetz listet die einzelnen Merkmale, die ausgewertet werden dürfen, nicht auf.

Zuletzt hat Deutschland die Phänotypisierung in seine Strafprozessordnung aufgenommen: Ende 2019 verabschiedete der Bundestag diese Ergänzung zur Regelung zur Erstellung eines DNA-Spurenprofils: «Ist unbekannt, von welcher Person das Spurenmaterial stammt, dürfen zusätzlich Feststellungen über die Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie das Alter der Person getroffen werden.» In den Erläuterungen zur Vorlage steht, dass es sich dabei um einen verhältnismässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht handle. Es werde mit der Phänotypisierung nicht in den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit eingegriffen. Die Bestimmung äusserer Merkmale habe «die Eingriffstiefe der Verwertung eines Fotos oder Videos, das zur Aufklärung von Straftaten ebenfalls herangezogen werden darf».

In Frankreich, Grossbritannien und den USA wird die Phänotypisierung in der Ermittlungspraxis zwar verwendet, explizite gesetzliche Regelungen gibt es aber nicht. In Grossbritannien steht in den gesetzlichen Regelungen zur forensischen DNA-Analyse kein ausdrückliches Verbot der Phänotypisierung. (Quelle: fedpol)

Der Nationalrat hat sich im Frühling grundsätzlich dafür ausgesprochen. Die Vorlage regelt auch einen allfälligen Suchlauf nach Verwandtschaftsbezug. Wenn also die DNA-Datenbank bei einer Untersuchung keinen Treffer meldet und alle Ermittlungen ergebnislos geblieben sind, ist ein solcher Suchlauf eine weitere Option, um die Person zu identifizieren, von der die sichergestellte DNA-Spur stammt.

Was war im Ständerat umstritten? Im Ständerat gab es keine grundsätzliche Opposition gegen das Gesetz. Uneinig war man sich aber etwa darüber, bei welchen Delikten die Phänotypisierung und der Verwandtschaftssuchlauf angewandt werden dürfen. Mathias Zopf (Grüne/GL) ging so weit, die Vorlage, so wie sie aus dem Nationalrat kam, deswegen als untauglich zu betiteln. Er plädierte dafür, dass nur bei klar definierten Delikten eine Phänotypisierung angewandt werden dürfe.

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Schliesslich gebe es aus dem Ausland auch Beispiele von groben Ermittlungsfehlern. Daniel Jositsch (SP/ZH) hielt dagegen: Bei der Phänotypisierung gehe es um «etwas Harmloses», denn die daraus gewonnenen Angaben könne auch ein Zeuge geben: die Augen- und Haarfarbe oder das geschätzte Alter.

Was hat der Ständerat entschieden? Der Ständerat hat die Vorlage einstimmig verabschiedet. Anders als der Nationalrat will er aber einen abschliessenden Deliktkatalog, wo die Phänotypisierung angewandt werden darf, ins Gesetz schreiben. Erlaubt sein soll sie etwa bei Tötung, Mord und Totschlag, Verstümmelung weiblicher Genitalien, Menschenhandel, Freiheitsberaubung, sexuellen Handlungen mit Minderjährigen, Vergewaltigung, Schändung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Auch bei den Löschfristen im Falle eines Freispruchs oder eines Einstellungsentscheids entschied er sich anders als der Nationalrat. Der Ständerat will, dass die DNA-Profile nur mit Entscheid eines Gerichtes und für höchstens zehn Jahre aufbewahrt und verwendet werden dürfen. Der Bundesrat und der Nationalrat wollen, dass die Verfahrensleitung darüber bestimmen kann.

Wie geht es weiter? Das Gesetz geht nun zur Bereinigung der Differenzen wieder zurück in den Nationalrat.

SRF 4 News, 22.09.2021, 11:00 Uhr ; 

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