Eigentlich hätten in diesem Jahr die Bauarbeiten für den Westast in Biel starten sollen. 20 Jahre hätten sie gedauert. 2.2 Milliarden Franken hätten sie gekostet. Das Ziel: Eine der wenigen Lücken im schweizerischen Autobahnnetz zu schliessen, Neuenburg und Solothurn zu verbinden. Diese A5-Westumfahrung von Biel ist in der geplanten Form jedoch gescheitert.
Die Pläne waren fixfertig, 2014 abgesegnet durch den Bundesrat, das Projekt in dieser Form ist nun aber gestorben. Die Behördendelegation wird dies zwar erst in einer Woche definitiv beschliessen. Christoph Neuhaus, Verkehrsdirektor des Kantons Bern sagt jedoch bereits heute: «Das jetzige Projekt ist abgeschrieben, der Westast ist vom Tisch.» Somit werde die Kantonsregierung beim Bund beantragen, das Projekt zu sistieren.
Schweizweit einmalig
Damit hat sich in Biel eine Bürgerbewegung gegen Bund und Kanton durchgesetzt. «Das ist etwas Einzigartiges in der Schweiz», sagt Urs Scheuss vom Verkehrsclub Schweiz. Der VCS war Teil des Dialogprozesses, der 2019 startete, nachdem das Projekt sistiert worden war.
Das ist etwas Einzigartiges in der Schweiz.
Bei diesem Dialogprozess trafen sich Gegner und Befürworter regelmässig, um eine Lösung in dieser verfahrenen Situation zu finden. Zwar gehen die Meinungen über eine mögliche Autobahn immer noch weit auseinander, beide Seiten sind sich jedoch einig: Das Projekt wird so nicht weiterverfolgt. Ihr Abschlussbericht haben sie am Montag Verkehrsdirektor Christoph Neuhaus übergeben.
Wie konnte es so weit kommen?
Dass eine Autobahn kommen wird, wusste man in Biel seit Langem, seit den 60er-Jahren wurde sie geplant. Doch als die ersten konkreten Pläne vorlagen, verging vielen das Lachen. Es wurde deutlich, dass die Autobahn mitten durch die Stadt – durch Häuser und Gärten – führen soll.
«Die Zufahrt hätte durch meine Stube führen sollen», sagt Anwohner Denis Rossel, ein Gegner der ersten Stunde. Er habe dies per Zufall aus den Zeitungen erfahren: «Sofort formierte sich die Nachbarschaft.» Der erste Verein gegen den Westast wurde gegründet.
«Einerseits haben Fachleute ein Gegenprojekt initiiert, andererseits hat es Demostrationen gegeben», sagt Catherine Duttweiler vom Komitee «Westast so nicht». Gegner aus allen Bevölkerungsschichten und politischen Lagern spannten zusammen. 2017 gingen erstmals 4000 Leute auf die Strasse, ein Jahr später 5000 – die grösste Demonstation in der Geschichte von Biel. Laut einer Umfrage unterstützten damals nur noch 21 Prozent der Bevölkerung den Westast.
Auf der anderen Seite standen die Befürworter, die mit dem Westast das Verkehrsproblem lösen und die Lebensqualität erhöhen wollen. Dies spielte plötzlich jedoch keine Rolle mehr, sagt Gilbert Hürsch, Geschäftsführer Wirtschaftskammer Biel-Seeland: «Es ging nur noch um Autobahnanschlüsse im Zentrum.» Es habe ihn überrascht, dass nicht mehr das Gesamte angeschaut und der Widerstand so gross wurde.
Die Fronten wurden immer verhärteter, der Ton gehässiger. Der Kanton beschloss den Marschhalt, das Ergebnis wie eingangs erwähnt: Ein Bürgerprotest bringt ein fixfertiges Autobhanprojekt zu Fall.
Wie weiter?
Das Problem ist noch nicht gelöst. Zwar ist das geplante Autobahnprojekt vom Tisch, dafür wurde ein breit abgestützter Kompromis gefunden. Die Lücke im Autobahnnetz besteht jedoch weiter und die Befürworter wollen langfristig immer noch eine Autobahn.