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«Wir fordern nicht überall autofreies Wohnen»
Aus HeuteMorgen vom 14.11.2017.
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Autofreie Siedlungen Parkieren Sie noch oder leben Sie schon?

Mehr Lebensqualität, finden Befürworter. Realitätsfern, die Kritiker: In den Städten liegt autofreies Wohnen im Trend.

«Der Bedarf wird laufend grösser. Die Zahl autofreier Haushalte steigt seit 15 Jahren», sagt Samuel Bernhard, der beim VCS das Projekt «autofrei leben» leitet. Dabei stützt er sich auf Zahlen des Bundesamtes für Statistik.

Diese zeigen tatsächlich, dass die Zahl der autofreien Haushalte in den grossen Schweizer Städten seit der Jahrtausendwende markant angestiegen ist – in Basel und Bern sind es bereits über die Hälfte.

Anteil der autofreien Haushalte (Quelle: BFS)

2000
20052010
Schweiz
19.9%18.8%
20.8%
Zürich42.2%44.3%
48.3%
Basel45.3%52%54.9%
Bern42.2%44.9%53.2%
Lausanne34.4%34.5%44.3%
Genf30.1%36.1%40.4%

Beim autofreien Wohnen geht es nicht darum, dass militante Städter den Menschen auf dem Land das Auto wegnehmen möchten. Schliesslich lassen sich Städte mit ihrem dichten ÖV-Netz, Einkaufsmöglichkeiten, Schulen und Ärzten kaum mit abgelegenen Dörfern vergleichen:

Autofreies Wohnen ist nicht für jeden Standort geeignet. Es ist auch nicht unsere Forderung, dass es überall kommen soll.
Autor: Samuel Bernhard Projektleiter «autofrei leben» beim VCS

Autofreies Wohnen könne und solle dort realisiert werden, wo es Sinn mache, sagt Bernhard.

Ein urbane Utopie?

Unter Berufung auf eine aktuelle Studie erklärt der VCS-Vertreter, was die Menschen antreibt, die bewusst ohne eigenes Auto leben wollen. Sie würden die Nähe zum ÖV schätzen und sich im Alltag zu Fuss oder mit dem Velo bewegen: «Schliesslich ist es auch eine Frage der Lebensqualität: Wenn es weniger Autos hat, ist das für alle angenehmer.»

Eine Erhebung des Bundesamtes für Statistik kreist das Profil weiter ein. Demnach wohnen vor allem junge, gutverdienende Städter in autofreien Siedlungen. Bernhard schliesst sich dem an: «In eigenen Studien haben wir herausgefunden, dass es über 60 Prozent Hochschulabgänger sind. Für uns ist aber schön zu sehen, dass 40 Prozent Paare mit Kindern in autofreien Siedlungen wohnen.»

Die Plattform «Autofrei/Autoarm Wohnen» wirbt mit weiteren Vorteilen: Neben dem ökologischen Nutzen würden teure und oft unrentable Parkplätze gespart; dadurch werde Raum frei, der etwa zur Erholung, für Parks und Plätze, genutzt werden könne.

Wasserfallens Verdikt: Nicht praktikabel

Allerdings gibt es auch Kritiker: «Autofreie Siedlungen sind ein Wunschmodell. Mit der Realität haben sie wenig zu tun», sagt FDP-Nationalrat und Verkehrspolitiker Christian Wasserfallen. Denn viele Leute würden sich nur scheinbar verpflichten, kein Auto zu haben. In Tat und Wahrheit gehen sie aber, wenn man so will, fremd:

Man kann ihnen das Autofahren ja nicht verbieten. Sie steigen dann einfach auf andere Formen der Mobilität um, etwa Mobility-Autos. Die brauchen aber genauso einen Parkplatz, halt nicht in der eigenen Siedlung, sondern in einer anderen.
Autor: Christian Wasserfallen FDP-Nationalrat und Verkehrspolitiker

Schliesslich ortet Wasserfallen Probleme für Besucher oder auch Handwerker, die ihr Auto mühsam ausserhalb der Wohnsiedlungen abstellen müssten: «Dann nehmen sie wieder den anderen Leuten den Parkplatz weg.»

Wasserfallen
Legende: Wird der Verkehr nur verlagert? Wasserfallen stellt die Nachhaltigkeit autofreier Siedlungen in Frage. Keystone/Archiv

Der Weg in eine autofreie Zukunft?

Bleibt autofreies Wohnen also eine urbane Utopie? Bernhard widerspricht: Besucherplätze seien in allen Projekten vorgesehen. «Zum anderen gibt es gute Möglichkeiten, wie man den Ausweichverkehr eruieren kann.» Das Problem der «Schwarzen Schafe» sei erkannt: «Wir sind längst so weit, dass wir das gelöst haben.»

Vor zehn Jahren waren autofreie Quartiere noch Neuland, heute sind sie Zeitgeist: Zehn solcher Siedlungen sind in den letzten Jahren entstanden.

Wo stehen wir in weiteren zehn Jahren? Bernhard: «Im Moment sind wir bei einigen tausend realisierten Wohneinheiten. Den Bedarf schätzen wir auf mehrere zehntausend – nur schon für einige ausgewählte, grössere Städte in der Schweiz.»

Durch neue Mobilitätsformen, Digitalisierung, selbstfahrende Autos etc. werde der Bedarf nach autofreiem Wohnen aber noch einmal steigen, glaubt Bernhard.

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