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Autofreies Wohnen Ein Heim mit Autoverbot liegt im Trend – zumindest in der Stadt

Im Kanton Zürich könnte die Pflicht fallen, bei Neubauten Auto-Parkplätze zu bauen. Dies entspricht einem Trend.

Ausgangslage: Ein Parkplatz pro Wohnung: So lautet seit den 1990ern die Bauvorgabe im Kanton Zürich. Nun hat der Kantonsrat in erster Lesung beschlossen, dass im Planungs- und Baugesetz (PGB) dieser Parkplatz bei neuen Liegenschaften nicht mehr nur für Motorfahrzeuge sein muss, sondern auch für Velos sein kann.

Rechtliche Grundlagen

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Jeder Kanton regelt die Parkplatzpflicht für Neubauten anders, wie die Übersicht des VCS zeigt . Manche überlassen die Entscheidung den Gemeinden.

Zahlen: 2021 besassen rund 78 Prozent der Schweizer Haushalte mindestens einen Personenwagen, in nahezu jedem dritten Haushalt (29 Prozent) waren sogar zwei oder mehr Autos vorhanden. Diese Werte sind laut Bundesamt für Statistik (BfS) gegenüber 2015 praktisch unverändert geblieben. Allerdings beträgt der Anteil autofreier Haushalte laut VCS in den Städten zum Teil über 50 Prozent. Was dazu auch gesagt werden muss: Wirklich freiwillig autolos sind nur die sogenannten «urbanen Eliten».

Beispiel: Die Stadt Baden hat vor gut zehn Jahren ihre Bau- und Planungsordnung (BNO) dahingehend verändert, dass autofreies Bauen möglich wird. Dort entstand das erste offiziell autofreie Projekt im Kanton – in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes. Seit 2017 leben in den 19 Wohnungen rund 35 Personen – Paare und auch Familien, wie Katia Röthlin, Präsidentin der Wohnbaugenossenschaft Lägern Wohnen, der das Mehrfamilienhaus gehört, erklärt. «Es sind Menschen, die sich verpflichtet haben, kein Auto zu besitzen.»

Die Regeln

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Wer im Mehrfamilienhaus an der Gartenstrasse 14 im Herzen von Baden wohnt, gibt der Genossenschaft die Berechtigung, beim Strassenverkehrsamt nachzufragen, ob wirklich kein Auto auf die betreffende Person immatrikuliert ist.

Mieterinnen und Mieter müssen zudem jedes Jahr erneut ein Formular ausfüllen und unterschreiben, dass sie noch immer autofrei leben.

Der Grund, auf Parkplätze für Motorfahrzeuge zu verzichten, war vor allem ein finanzieller: «Der Bau eines Parkplatzes kostet 40'000 bis 45'000 Franken. Das würde bedeuten, dass die Mieten entsprechend teurer gewesen wären. Wir legen aber in unserer Wohnbaugenossenschaft Wert darauf, dass unsere Mieten 10 bis 15 Prozent unter den Marktmieten sind. Und das wäre nicht möglich gewesen, wenn wir eine Autogarage hätten bauen müssen», erklärt Röthlin.

Stadt: Röthlin ist überzeugt, dass autofreies oder autoreduziertes Wohnen gerade an Zentrumslagen ein Trend ist: «Wir haben ein grosses Projekt in Wettingen. Auch dort sehen wir, dass Velos immer wichtiger werden – wie auch Dinge wie Carsharing oder Elektromobilität.» Sie hält aber fest, dass die Lage in Baden ideal sei. «Jemand, der in einem Dorf wohnt, ist eher auf ein Auto angewiesen. Ich glaube, in den Dörfern ist autofreies Wohnen noch kein Thema.»

Velokeller.
Legende: Die Genossenschaft Lägern Wohnen hatte keine Auflage, mehr Veloparkplätze zur Verfügung zu stellen. «Aber wir haben viele», sagt Katia Röthlin. Einerseits im Keller, andererseits gedeckte Veloparkplätze draussen. «Wir beobachten, dass Abstellmöglichkeiten für Velos ein immer grösseres Bedürfnis sind.» SRF

Land: Ein Beispiel in Deitingen (SO), zeigt allerdings, dass autofreies oder autoreduziertes Wohnen auch auf dem Land möglich ist. Auf den ersten Blick scheine die Umgebung der kleinen Siedlung mit vier Gebäuden nicht optimal, sagt Mobilitätsberaterin Céline Winzeler, die das Projekt begleitet hat. Aber eine Standortanalyse habe ergeben, dass die Nahversorgung sehr gut sei. Auch hier müssen alle auf ein Auto verzichten. Im Gegenzug gibt es Anreize wie Carsharing, schöne Abstellplätze für Velos und viel Grünfläche, die durch die geringere Parkplatzfläche erhalten blieb. Allerdings fehlten auf dem Land noch die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die guten Beispiele, räumt Winzeler ein.

Zukunft: Im Kanton Zürich muss die Redaktionskommission des Kantonsrates das Geschäft für die zweite Lesung in wenigen Wochen vorbereiten. Weil sogar die SVP und alle anderen Parteien der Meinung waren, dass das PGB den Mobilitätsbedürfnissen angepasst werden müsse, ist es gut möglich, dass der gesamte Kanton bald eine moderne Lösung erhält, um dem wachsenden Bedürfnis nach autoreduziertem oder -freien Wohnen gerecht zu werden. Sei es in der Stadt oder auf dem Land.

Tagesschau, 26.11.2024, 19:30 Uhr

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