Ein Brief von Generikaherstellerin Sandoz macht die Ärzteschaft dieser Tage nervös: «BAG erachtet Bezahlung für Werbe-Dienstleistungen in Arztpraxen als unzulässig», schreibt Sandoz. Man löse deshalb die Werbeverträge per Ende Jahr auf. Mit den Marketingzahlungen – etwa für Bildschirme mit Sandoz-Werbung in Wartezimmern – ist deshalb vorerst Schluss. Eine Weiterführung wäre für Ärzte wie auch für das Pharmaunternehmen «mit grossen, auch strafrechtlich relevanten Risiken verbunden».
Anlass für den Zahlungstopp ist ein Verwaltungsverfahren des Bundesamtes für Gesundheit. Die Untersuchung wurde von einem SRF-Bericht über die Arztkette des Hausarztes Thomas Haehner ausgelöst. Der mittlerweile Konkurs gegangene Arzt kassierte für eine einzige Praxis Fr. 67‘000.- im Jahr. Sandoz erklärte damals, die Zahlungen seien für Bildschirme und Patientenmaterialien in den Wartezimmern. «Ärzte stellen Werbefläche in der Praxis zur Verfügung, für diese Dienstleistung bezahlen wir», schreibt Sandoz heute.
Die Werbegelder dienten dazu, Patienten über Generika aufzuklären und die Akzeptanz der Nachahmerpräparate zu fördern. Solche Vereinbarungen entsprächen den gesetzlichen Anforderungen. Das BAG ist offenbar anderer Auffassung, will zum noch laufenden Verfahren jedoch keine Stellung nehmen: Erst müsse die betroffene Partei angehört werden.
Für den Krankenversicherungsexperten Ivan Tomka ist klar: «Solche Zahlungen sind unzulässig, weil ein Arzt frei von finanziellen Vorteilen und einzig im Interesse der Patienten handeln muss.» Sandoz sieht das anders und schreibt SRF Investigativ: «Wir sind weiterhin von der Rechtskonformität dieser branchenüblichen Werbe-Dienstleistungen überzeugt und wehren uns folglich – falls nötig auf dem Rechtsweg – gegen die Rechtsauffassung des BAG.» Sollte das BAG bei seiner Einschätzung bleiben, wird Sandoz wohl vor Bundesverwaltungsgericht ziehen.
Sandoz knüpft Gelder an Offenlegung von Umsatzzahlen
Die Werbegelder von Sandoz scheinen direkt mit den Medikamentenumsätzen der Ärzte verknüpft zu sein. In einem Mail, das SRF Investigativ zugespielt wurde, schreibt ein Sandoz-Mitarbeiter einem Arzt: «Bedaure sehr, dass Sie Marketinggelder verlieren (...).» Grund für die Streichung der Gelder: Der Arzt legte seinen Umsatz mit Generika gegenüber Sandoz nicht offen.
«Dieses Mail zeigt aus meiner Sicht, dass ein klarer Zusammenhang besteht zwischen dem Medikamentenumsatz und finanziellen Vorteilen», sagt Krankenversicherungexperte Ivan Tomka. «Das ist definitiv unzulässig.» Sandoz schreibt zum geleakten Mail: «Die Zahlungen für die Werbe-Dienstleistungen erfolgen immer unabhängig vom Verschreibungsverhalten des Arztes. Die Therapieentscheidung ist und bleibt 100% beim Arzt, und die Abgeltung für Werbe-Dienstleistungen ist unabhängig von der Anzahl verschriebener Generika.»
Sandoz, der Präzedenzfall für das BAG
Das Bundesamt für Gesundheit hat seit Januar 2020 neue Kompetenzen, um Verstösse gegen das Heilmittelgesetz zu ahnden. Vorsätzliche Vergehen können mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden. Der Fall Sandoz ist das erste Verfahren, welches das Amt zum Abschluss bringen wird.