- Wer zu Stosszeiten im Bahnhof Bern unterwegs ist, weiss nur zu gut: In den Unterführungen und auf den Perrons ist es eng.
- Der Berner Bahnhof braucht mehr Platz und wird für eine Milliarde Franken ausgebaut.
- Heute ist der offizielle Start der Bauarbeiten, die ganze zehn Jahre dauern werden.
Der Bahnhof Bern, ein düsteres, beengendes Bauwerk, soll mehr Licht und Raum bekommen. Nach zehn Jahren Planung geht es heute los mit den Bauarbeiten. Endlich, freut sich die bernische Baudirektorin Barbara Egger. Es sei ein sehr wichtiger Moment für den Kanton Bern und den öffentlichen Verkehr, «aber auch für die ganze Schweiz: Der Bahnhof liegt mitten im Land und platzt aus allen Nähten».
Eine Viertelmillion Bahnreisende drängen sich jeden Tag durch den Bahnhof, und bis in 20 Jahren sollen es nochmals deutlich mehr sein. In einer ersten Etappe wird der neue Tiefbahnhof für den Regionalverkehr Bern-Solothurn gebaut. Als Ersatz für den alten, vor gut 50 Jahren in Betrieb genommen, der ursprünglich für 16‘000 Leute konzipiert wurde. Heute benutzen ihn fast viermal mehr.
Es dürfte laut werden
Rund um den Bahnhof fahren dafür die Baumaschinen auf und graben sich tief in den Untergrund hinein, unter die SBB-Gleise. Mit Rolltreppen wird der neue RBS-Bahnhof dann mit dem SBB-Bahnhof verbunden sein, 17 Meter unter der SBB-Unterführung. Gleichzeitig ersetzen die SBB die bisherige düstere Personen-Unterführung mit einer neuen. Zudem erhält Bern einen neuen Zugang zum Bahnhof.
In einem zweiten Ausbauschritt wollen die SBB seitlich vier neue Gleise bauen. Dieses Projekt ist aber erst in Planung. Zehn Jahre soll allein die erste Ausbau-Etappe dauern, führt Egger aus: «Der Betrieb muss genau gleich weitergeführt werden können wie bisher, wir können keine Züge streichen. Aber die Pendler sollten so wenig wie möglich von diesen Bauarbeiten mitkriegen.»
Das «Ende der Fahnenstange» – und darüber hinaus
Dass die gigantischen Bauarbeiten überhaupt nötig sind, ist allzu vorsichtigen Prognosen in der Vergangenheit geschuldet. Man habe sich vor 50, 60 Jahren nicht vorstellen können, wie stark der Verkehr wachsen würde, sagt Ulrich Seewer, Vizedirektor im Bundesamt für Raumentwicklung: «Man dachte, das Ende der Fahnenstange sei erreicht.»
Dass die Bauherren diesmal einer ähnlichen Fehleinschätzung aufsitzen, glaubt Seewer nicht. «Mehr als 30, 40 Jahre in die Zukunft planen kann man aber nicht», sagt Seewer. Zentral sei die sogenannte «Aufwärtskompatibilität», also die Möglichkeit, ein Bauwerk nach und nach erweitern zu können.
Ein Musterbeispiel dafür sei der Bahnhof Zürich mit der grossen Bahnhofshalle und den beiden Tiefbahnhöfen (der zweite, die Durchmesserlinie, wurde 2014 in Betrieb genommen). Auch den Planern am Bahnhof Bern sei diese Aufwärtskompatibilität gut gelungen – trotz der schwierigen Ausgangslage mit dem verbauten Bahnhofsareal.
Bei manchen Bahnkunden schrillen wohl schon die Alarmglocken.
Der künftige RBS Bahnhof ist etwa so ausgelegt, dass er nach Westen oder Süden ausgebaut werden könne: «Daran hat man damals nicht gedacht. Man hat einen Sackbahnhof gebaut, der nicht erweitert werden kann.»
Ein lachendes und weinendes Auge beim Kunden
Bei aller Weitsicht: Eng dürfte es aber da und dort trotzdem werden, bevor es 2027 mehr Platz gibt für die Bahnreisenden. Karin Blättler, Präsidentin von Pro Bahn, der Interessenvertretung der Kunden des öffentlichen Verkehrs, anerkennt den Handlungsbedarf in Bern. Die Ausbauten seien notwendig, die Kapazitäten müssten erhöht werden.
«Bei manchen Bahnkunden schrillen aber wohl schon die Alarmglocken», sagt Blättler. Ihre Organisation werde ein Auge auf die Negativeffekte der Bauarbeiten haben, verspricht sie: «Gewisse Dinge wie Umwege wird man aber in Kauf nehmen müssen. Wir werden uns aber dafür einsetzen, dass alles möglichst kundenfreundlich abläuft.»