Erstmals haben die Konsumenten in Deutschland 2018 mehr Geld per Kreditkarte oder Debitkarte ausgegeben als in bar. Das zeigt eine neue Studie des Handelsforschungsinstituts. Gerade bei kleinen Summen sind Scheine und Münzen aber nach wie vor das beliebteste Zahlungsmittel. Was für Deutschland gilt, gilt auch für die Schweiz: Beide Länder sind Bargeldhochburgen. Für Sandro Graf von der ZHAW könnte sich das aber in naher Zukunft ändern.
SRF News: Wie lange wird in der Schweiz noch mit Bargeld bezahlt?
Sandro Graf: Noch eine ganze Weile, aber es ist ein deutlicher Trend zu erkennen: Die bargeldlosen Zahlungen nehmen jedes Jahr zu. Deswegen ist es auch nicht überraschend, was nun in Deutschland das erste Mal nachgewiesen wurde.
Ich war gerade in Grossbritannien, dort zahlt man jeden Kaugummi, jeden Kaffee oder jedes Busticket mit der Karte oder dem Smartphone. Warum ist das in der Schweiz noch nicht so?
Schwierig zu sagen. Es gibt in Ländern wie England möglicherweise mehr Anwendungen mit einem Mehrwert. Man denke da zum Beispiel an die U-Bahn in London.
Wir sehen im Online-Bereich eine starke Zunahme von Twint.
Wenn sie sich entscheiden müssen, ob sie mit ein paar Pfund Bargeld einen Fahrschein lösen oder ganz einfach die Kreditkarte hinhalten müssen, dann werden sie als kritischer Mensch trotzdem eher die Kreditkarte zücken, weil das in der Anwendung einfacher ist.
Könnte man bei uns im Postauto auch eine Kreditkartenlesemaschine installieren?
Natürlich. Es passiert nun auch vermehrt, dass solche elektronischen Bezahlmöglichkeiten eingeführt werden. Twint gilt es zu beachten, eine der mobilen Bezahllösungen der Schweiz. Während Twint im physischen Bereich noch etwas Schwierigkeiten hat, zum Beispiel bei den Kassen von Coop oder Migros, sehen wir im Online-Bereich eine starke Zunahme, insbesondere bei speziellen Anwendungen wie dem Bezahlen der Parkgebühr via Twint.
Hier ändern sich also die Gewohnheiten – wenn auch langsam?
Das ist korrekt. Es ist die Gewohnheit im alltäglichen Leben bei den kleinen Transaktionen. In solchen Situationen überlegen die Leute nicht lange, wie sie bezahlen, sondern tun das beinahe automatisiert. Über die Zeit kann sich das Verhalten aber ändern.
Immer wieder hört man den Einwand, die grosse Gefahr beim bargeldlosen Bezahlen sei die Möglichkeit der Überwachung. Ist das für die Konsumenten in der Schweiz auch ein wichtiger Grund?
Tatsächlich wird dieser Aspekt von den Konsumenten immer wieder erwähnt: Sie haben Bedenken wegen möglichem Datenklau oder Betrugsfällen.
Wir werden noch lange Bargeld haben, einfach auf einem sehr, sehr kleinen Niveau.
Die Industrie oder die Anbieter investieren in diesem Bereich aber sehr viel. Am Ende aber ist es die Wahrnehmung, die zählt. Es braucht positive Erfahrungen, dass wir mehr Vertrauen in diese Lösungen aufbauen können.
Wie lange dauert es in der Schweiz noch, bis auch hier jeder Kaugummi mit der Karte oder dem Smartphone bezahlt wird?
Das wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht passieren. Wir werden noch lange Bargeld haben, einfach auf einem sehr, sehr kleinen Niveau.
Das Gespräch führte Christoph Kellenberger.