Am Sonntagabend lief eine Familien-Komödie mit Robert de Niro als allerletzter Film über die Leinwand im Basler Kino Küchlin. Ums Lachen war den wenigen Gästen im grossen historischen Saal mit Balkonen aber gar nicht zumute: 15 Fans kamen zum Abschied von diesem letzten Kino in der einstigen Basler Kinostrasse.
Küchlin-Betreiberin Pathé hatte Ende März angekündigt, dass sie den Ende Juni auslaufenden Mietvertrag für das Gebäude mit acht Kinosälen mangels Perspektiven nicht verlängern werde. Den genauen Moment der letzten Vorstellung hatten nur wenige per Zufall mitbekommen.
Wir wollten Abschied nehmen. Der Film war uns eigentlich egal.
Eine der Besucherinnen der letzten Vorstellung meinte: «Das ist noch richtiges Kino, der Saal 1 – davon wollten wir Abschied nehmen. Der Film war uns eigentlich egal.» 1912 als Variété-Theater erbaut, wurde das Küchlin in den 1950er-Jahren zum Kino. Sieben Jahrzehnte lang liefen seither Blockbuster über die grosse Leinwand, und in den rund 500 Sesseln im Saal 1 wurde gelacht, mitgefiebert und geweint.
«Es schmerzt, dass das Küchlin in Basel schliesst», sagt ein anderer Gast bei der Dernière. Er arbeitete selber im Küchlin, von den 1990er-Jahren bis 2006, verkaufte in Pausen Glacés. Seine Frau erinnert sich mit Wehmut an die «Genickbrecher-Sessel» der ersten Reihe, wo sie den Film «Titanic» geschaut habe. Diesmal herrscht Tristesse: Nach dem Abspann verhallt leiser Applaus, Erinnerungs-Fotos werden gemacht.
Das ist nicht nur der letzte Tag des Küchlin, sondern der letzte Tag der Steinen als Kinostrasse.
Bis zur letzten Vorstellung im Küchlin gearbeitet hat Marc Bolt. Für ihn ist dieser Abend «sehr traurig», wie er sagt: «Das ist nicht nur der letzte Tag des Küchlin, sondern der letzte Tag der Steinen als Kinostrasse.»
«D'Schteine» nennen die Baslerinnen und Basler die Steinenvorstadt, eine zentral gelegene Ausgangs-Meile zwischen der Heuwaage und dem Barfüsserplatz. Ein Kino nach dem anderen schloss dort seine Tore: erst das Hollywood, dann 2014 das Eldorado, 2019 um die Ecke das Plaza, das Rex 2020, dann das Capitol 2022.
Mit dem Lichterlöschen im Küchlin ist das Ende der Basler Kinostrasse besiegelt. Was mit dem teilweise denkmalgeschützten Gebäude geschieht, ist unklar. Das Küchlin gehört demselben Unternehmen wie die Nachbarliegenschaft. Man habe einige Interessenten, aber noch nichts entschieden, heisst es dort auf Anfrage.
Umnutzungen von grossen Kinosälen sind nicht einfach. Just vis-à-vis des Küchlin steht das Capitol seit einem Jahr leer, wie bei dessen Eigentümerin zu erfahren ist. In der Basler Innerstadt sind jetzt noch drei Kinos übriggeblieben, mit einigen kleineren Sälen. Das einzige Multiplex-Kino steht am Stadtrand.
Streaming, Grenzlage und Corona
Netflix und andere Freizeitangebote spielen beim Kinosterben wohl eine Rolle, und in Basel kommt die Grenze dazu: Benachbarte deutsche Kinos sind billiger und per Tram und Bahn rasch erreichbar. Und dann kam noch Corona.
In der Steinenvorstadt dominiert schon länger die Gastronomie das Nachtleben. Auch in den Ex-Kinos Plaza und Eldorado sind heute Restaurants. Einst waren all die Beizen für die Kinobesuchenden eine attraktive Umgebung, doch in Zukunft werden die Bars und Restaurants in der Ausgangs-Meile auch ganz ohne Kinos auskommen.