Windkraftanlagen zu verwirklichen – das ist in der Schweiz schwierig. War der Bund zu optimistisch? Marianne Zünd, Sprecherin des Bundesamts für Energie, glaubt, man könne das vorhandene Potential durchaus noch ausschöpfen.
SRF News: Waren Sie bei der Berechnung des Potentials von Windenergie in der Schweiz zu optimistisch?
Marianne Zünd: Wir stützten uns auf Zahlen von 2008 – mit den damaligen Rahmenbedingungen, Technologien, die damals verfügbar waren. Und haben daraus ein Potential berechnet – ein technisches und sehr konservativ berechnetes Potential. Das ist nicht unrealistisch. Wir beobachten heute, dass wir auf der Warteliste für die Einspeisevergütung etwa 450 Windenergieanlagen haben. Könnten wir die realisieren, dann sind wir also auf sehr gutem Weg zu dem errechneten Potential.
Das ist das, was möglich wäre. Und doch scheint es sehr schwierig, konkrete Windkraftprojekte umzusetzen. Wo hapert es denn?
Es ist eine Frage der Akzeptanz. Windanlagen sind sichtbar und machen gewisse Geräusche, wenn man in die Nähe kommt. Das sind die Erfahrungen, die wir machen. Es gibt auch Regionen, wo es überhaupt kein Problem ist. Wenn man die Bevölkerung von Anfang an miteinbezieht; wenn man erklärt, wie das funktioniert; wie das in der Landschaft aussieht; wie allenfalls der Schattenwurf ist, dann kann man erreichen, dass die Leute mitziehen.
Windanlagen sind halt sichtbar, die machen gewisse Geräusche, wenn man in die Nähe kommt.
Es gibt eine neue Energieperspektive mit Zahlen, die aussagen, was in der Schweiz an Windkraft möglich wäre. Müssen Sie diese Zahlen im Vergleich zur letzten Energieperspektive nach unten korrigieren?
Das werden wir sehen. Das Potential wird sich nicht gross ändern, weil wir einfach die Windverhältnisse in der Schweiz haben, die gegeben sind. Wir haben weiterhin den gleichen Raum, der zur Verfügung steht. Es haben sich auch die Technologien bezüglich Lärmemissionen von solchen Windanlagen verbessert. Man hat Verbesserungen betreffend Umweltschutz gemacht – beispielsweise beim Vogelzug, bei dem man neue Techniken hat, diese Anlagen kurzzeitig abzustellen. Wir werden die neuen Zahlen Mitte 2020 auf dem Tisch haben, und dann kann man wieder eine Lagebeurteilung machen.
Windanlagen werden immer gut sichtbar sein. Das hat eine Rolle gespielt in Appenzell Innerrhoden. Man monierte, das passe nicht ins Landschaftsbild. Spielt das auch eine Rolle bei der Berechnung des Potentials?
Die gesellschaftlichen Entwicklungen und die Akzeptanz stehen auch nicht still. Wir gehen davon aus: Wenn mehr Windanlagen in der Schweiz als Beispiel dastehen, sieht man, dass das durchaus in die Landschaft passen kann. Möglicherweise sehen das die Leute und denken dann, bei uns wäre das ja auch nicht irgendein Rieseneingriff in die Landschaft.
Das Gute an der Energiestrategie ist: Wenn man so langfristig plant und sich auf den Weg macht, dann hat man auch Zeit.
Man muss auch bedenken: Solche Anlagen kann man rückbauen, ohne dass sie eine Restlast hinterlassen. Das ist ein weiterer Vorteil der Windenergie. Ganz zu schweigen von den Versorgungssicherheitsaspekten: Die Windenergie produziert vor allem im Winter, wenn wir Strom brauchen, sehr viel Energie. Und das ist schliesslich eine Güterabwägung zwischen Landschaftsschutz und Versorgungssicherheit.
Wenn nun aber die Windkraft nicht vom Fleck kommt, auch in Zukunft nicht, was bedeutet das für die Energiestrategie 2050? Ist die gefährdet?
Das Gute an der Energiestrategie ist: Wenn man so langfristig plant und sich auf den Weg macht, dann hat man auch Zeit. Es braucht kein Durchstieren von irgendwas. Wenn die Windenergie nicht die durchschlagenden Erfolge bringt: Mit der Photovoltaik beispielsweise sind wir auf sehr gutem Weg. Dort hat sich auch nach anfänglicher Skepsis, weil das blendet und stört, plötzlich eine Akzeptanz entwickelt, die durch das ganze Land geht. Und möglicherweise kommen wir bei der Windenergie auch dorthin.
Das Gespräch führte Andrea Christen.