In der Schweiz herrscht in Sachen Windenergie eher Flaute als Aufbruchstimmung. Anders zum Beispiel im Nachbarland Deutschland: Hier werden Windturbinen innerhalb kurzer Zeit gebaut, zum Beispiel im Südschwarzwald. Der Windpark Rohrenkopf, nicht weit von der Schweizer Grenze entfernt, produziert seit ein paar Jahren Strom für 12'000 Haushalte. 30 Kilometer südlich kommt hingegen der geplante Windpark Burg, im Aargauisch-Solothurnischen Grenzgebiet, seit 2008 nur langsam voran. Was ist anders?
Die Windkraft in der Schweiz macht bisher nur einen kleinen Teil der Stromproduktion aus. Die Schweiz produziert mit rund 40 Windturbinen im ganzen Land 0.2 Prozent des nationalen Stromverbrauchs mit Windenergie. Zum Vergleich: Spitzenreiter Dänemark schafft es auf 48 Prozent, der Nachbar Deutschland auf 27 Prozent. Diese Länder haben allerdings auch eine grössere Fläche und viele Windturbinen im oder am Meer.
Starker Schweizer Gegenwind
In der Schweiz sind einige Windprojekte vor Bundesgericht hängig. Die Gegnerschaft scheint hartnäckig. Natur- und Vogelschützer sorgen sich wegen der Turbinen um die Tiere, andere Gegner kritisieren den Infraschall der Windturbinen. Andere wiederum glauben, dass Windparks in den Bergen sinnvoll sind, nicht aber im Flachland.
Der Windpark Rohrenkopf in Deutschland brauchte gerade einmal knapp fünf Jahre, bis die ersten Windräder die Produktion aufnehmen konnten. 2012 startete die Planung, 2015 die Vorarbeiten, 2016 gingen vier von fünf Anlagen ans Netz. Die Betreiberin, die Elektrizitätswerke Schönau (eine Genossenschaft aus Atomkraftgegnerinnen und -gegnern) musste offenbar weniger Hürden nehmen, als Schweizer Projekte.
Es hat durchaus Kritik am Windpark im Südschwarzwald gegeben. Gewisse Bürgerinnen und Bürger hatten beim Projekt Rohrenkopf Bedenken. Allerdings: In Deutschland gibt es vergleichsweise weniger Mitsprachemöglichkeiten als in der Schweiz. Die Elektrizitätswerke Schönau haben versucht, dem entgegenzuwirken. Energiereferentin Eva Stegen sagt: «Wir haben uns Mühe gegeben, mit den Menschen zu sprechen, an 25 Veranstaltungen. Wir haben erklärt was passiert und weshalb es passiert».
Lange Gerichtsverfahren in der Schweiz
Eine vierjährige Planungszeit ist in der Schweiz unvorstellbar. Der geplante Windpark Burg beispielsweise, im Grenzgebiet Aargau Solothurn, kommt seit 2008 nur langsam vorwärts. Damals gab es erste Kontakte mit den Behörden, 2009 wurde die Bevölkerung informiert. Es folgten Abklärungen für die Sicherheit der Fledermäuse, die Eintragung im Richtplan, eine positive Abstimmung. Momentan läuft das Einspruchsverfahren. Wann gebaut werden könnte, ist weiterhin nicht klar.
Von Erstmessungen bis zum Bau können in der Schweiz durchaus 20 Jahre vergehen.
Das brauche in der Schweiz Zeit, sagt Boris Krey, Aargauer Sektionsleiter Energiewirtschaft. «Von Erstmessungen bis zum Bau können durchaus 20 Jahre vergehen. Es gibt oft auch lange Gerichtsverfahren». Das habe aber nicht nur Nach-, sondern auch Vorteile, findet Krey. Wenn die Anlagen dann gebaut seien, nach 20 Jahren Planung und Verhandlungen, dann würden solche Projekte einen starken Rückhalt in der Bevölkerung geniessen, findet er.
Einen solchen Rückhalt hat der Windpark im Südschwarzwald bis heute nicht. Die Kritiker sind nach wie vor da, der Park allerdings steht. Mit dem Tempo, das auch im Südschwarzwald an den Tag gelegt wurde, macht Deutschland in Sachen Windkraft vorwärts. In unserem Nachbarland ist 2020 erstmals mehr Strom aus Wind- als aus Kohlekraftwerken erzeugt worden.