Ein 26-jähriger Mann, der den Islamischen Staat unterstützt haben soll, hat am Donnerstag vor dem Bundesstrafgericht jegliche Schuld bestritten. Die Bundesanwaltschaft fordert für den jungen Vater eine bedingte Haftstrafe, die Verteidigung dagegen einen Freispruch.
Dem schweizerisch-libanesischen Doppelbürger wird von der Bundesanwaltschaft vorgeworfen, er habe im April 2015 zunächst von Zürich-Kloten nach Istanbul reisen wollen, «mit dem Ziel, sich dem ‹Islamischen Staat› (IS) anzuschliessen und als Märtyrer zu sterben».
Der Anwalt des mutmasslichen IS- Unterstützers beantragte am Donnerstag in seinem Plädoyer, sein Mandant sei von allen Anklagepunkten freizusprechen. Er forderte zudem eine Entschädigung für die Anwaltskosten, für die verbüsste 14-tägige Haft und die Ausreisesperre.
Anwalt: «hanebüchene» Vorwürfe
Der Anwalt des 26-Jährigen wies die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft weit von sich - selbst eine Weiterreise nach Syrien bedeute nicht zwangsläufig, dass sein Mandant sich dem islamischen Staat habe anschliessen wollen. Wäre der Angeklagte wirklich vom IS als potenzieller Kämpfer eingestuft worden, dann hätte er einen Test absolvieren müssen - diesen habe es aber nie gegeben. Dass er seine Reisepläne geheim hielt, könne nicht automatisch als Beweis dienen, dass er die Organisation Islamischer Staat fördern wollte.
Es gibt laut dem Anwalt ausserdem keine stichhaltigen Beweise, dass sich sein Mandant mit der Ideologie des IS identifiziert habe. Die gefundenen Dokumente auf dem Handy des Beschuldigten lassen noch nicht den Schluss zu, dass er sich mit den Inhalten auch identifizieren konnte. «Oder sind sie etwa Marxist, weil sie das Kapital im Bücherschrank stehen haben ?», fragte der Verteidiger.
Sein Mandant sei sich nicht einmal bewusst gewesen, dass es diese Dokumente gegeben habe, sagte der Anwalt. Sie seien durch einen Gruppen-Chat über eine Anwendung auf sein Smartphone gelangt.
Der Beschuldigte habe nicht als Märtyrer sterben wollen, habe sich aber sehr wohl länger mit dem Begriff auseinandergesetzt. Daraus zu schlussfolgern, dass er nach Syrien reisen wollte, um sich dem IS anzuschliessen, sei nicht glaubwürdig. Es bleibe im Dunkeln, was er genau in Syrien wollte. In jedem Fall wollte er aber seine «Kollegen» besuchen, so der Verteidiger.
Prozess als Präzedenzfall
Dieser Ansicht widerspricht die Bundesanwaltschaft grundsätzlich: Der Angeklagte habe sich klar damit befasst, sich der Terrororganisation IS anzuschliessen. Es sei «kein Kurzschluss» gewesen.
Die Aussage des Beschuldigten vor Gericht, nur für eine Hilfsleistung nach Syrien reisen zu wollen, sei eine «auswendig gelernte Schutzbehauptung» - nirgends werde das Märtyrertum mit Hilfeleistungen gleichgestellt.
Die Staatsanwältin des Bundes bezeichnete den Prozess als Präzedenzfall für den strafrechtlichen Umgang der Schweiz mit Djihad-Reisenden - sie wies zugleich die Anschuldigung der Verteidigung, es handele sich nur um einen «PR-Feldzug», entschieden zurück.
Ziel der Strafverfolgung in der Schweiz müsse es sein, jegliche Unterstützungshandlungen für terroristische Organisationen zu unterbinden, sagte die Staatsanwältin des Bundes.
Heiliger Krieg statt Kinderkrippe
Der Angeklagte habe nicht bloss Sympathien für den IS gehegt - der entscheidende strafrechtliche Baustein sei die Kontaktaufnahme mit einem Mittelsmann an der türkisch-syrischen Grenze gewesen. Damit habe er den IS «psychisch unterstützt» und die «Gruppenmoral vor Ort gestärkt».
Bei der Strafzumessung wirke sich zwar strafmildernd aus, dass die Ausreise vereitelt wurde und der Angeklagte an keinen Kampfhandlungen teilnahm. Allerdings habe der 26-Jährige auch eine «erhöhte kriminelle Energie» gezeigt: Denn er habe seine schwangere Freundin in der Schweiz zurück gelassen, so die Vertreterin der Bundesanwaltschaft. Sie hielt deshalb eine bedingte Haftstrafe von zwei Jahren bei einer Probezeit von drei Jahren für angemessen.
Die Befragung eines Beauftragten in der Präventionsabteilung Gewaltschutz der Kantonspolizei Zürich hatte vor Gericht ergeben, dass der Angeklagte viele Misserfolge im Leben erdulden musste und nicht sehr gebildet sei. Derzeit wohne er wieder bei den Eltern - besondere Risikofaktoren wie psychische Auffälligkeiten, frührerer Schusswaffengebrauch oder Drogenmissbrauch weise der Angeklagte nicht auf, sagte der Beauftragte, der den Angeklagten seit November 2015 betreut.
Das Urteil wird in dem Fall am Freitag um 14 Uhr gesprochen.