Sie wurden verdingt, administrativ versorgt oder zwangssterilisiert. Bis 1981 wurden zehntausende Menschen in der Schweiz Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen. Seit einem Jahr können Opfer als Anerkennung ihres Leids beim Bund einen Solidaritätsbeitrag von maximal 25'000 Franken beantragen – an Ostern läuft die Frist ab.
Bis Anfang Jahr meldeten sich 4500 Opfer, nun rechnen die Initianten der Wiedergutmachungs-Initiative mit über 8000 Gesuchen. Genau 7839 Gesuche seien bis vor Ostern beim Bundesamt für Justiz eingetroffen, wie das Amt auf Anfrage mitteilte.
Guido Fluri, Urheber der Wiedergutmachungs-Initiative, erklärt sich die kurzfristige Zunahme der Gesuche damit, dass die Informationskampagne der letzten Monate Wirkung gezeigt habe: «Wir konnten damit auch Menschen erreichen, die isoliert, noch nicht informiert oder unschlüssig waren.»
«Man hat es endlich einmal schriftlich»
Eine riesige Last sei von ihm abgefallen, als er vor ein paar Tagen den Brief des Bundesamtes für Justiz erhalten habe, sagt Walter Emmisberger der «Tagesschau». Er war als Kind mehrfach fremdplatziert und misshandelt worden.
Die Behörden anerkennen damit, dass Ihnen Leid und Unrecht angetan worden ist, das sich auch auf Ihr ganzes Leben ausgewirkt hat.
Das Geld, dieser Solidaritätsbeitrag, sei vergänglich und vielleicht einmal aufgebraucht, erklärt Emmisberger: «Aber das was hier drin steht, das bleibt, das bleibt in einem drin, in der Seele auch. Und vor allem auf dem Papier, man hat es endlich einmal schriftlich.»
Antragsfrist bis zum Dienstag nach Ostern
Noch bis am Dienstag um Mitternacht können Gesuche von Betroffenen um einen Solidaritätsbeitrag abgeschickt werden. Beim Bundesamt für Justiz rechnet man bei Ablauf der Frist mit etwa 8500 Gesuchen. Ursprünglich hatte man mit 10'000 bis 15'000 Gesuchen gerechnet.
Manche Betroffene beklagten hohe bürokratische Hürden oder die Angst vor dem Staat. Claudia Scheidegger vom Bundesamt für Justiz hält diese Vorwürfe nicht für gerechtfertigt. Man habe man alles versucht, selbst telefonische Kontaktaufnahme mit Betroffenen:
«Wir haben über 10'000 Briefe verschickt an alle möglichen Organisationen wie Spitex, Pro Senectute oder Altersheime, damit man die Betroffenen darauf aufmerksam macht, dass die Möglichkeit besteht, ein Gesuch einzureichen.»
Das Bundesamt habe aber teilweise auch Rückmeldungen erhalten, dass es Betroffene gebe, die das einfach nicht möchten. «Sie möchten ihre Geschichte nicht aufarbeiten und nichts mehr erzählen», erklärt Scheidegger.