Der Kanton Bern wollte mehrere geplante Corona-Verschärfungen verhindern. Der Bundesrat ist letztlich in grossen Teilen den Kantonen gefolgt. Der Berner Gesundheitsdirektor zeigt sich zufrieden und hat Verständnis für das Unverständnis des Bundesrats.
SRF: Herr Schnegg, der Bundesrat ist weniger weit gegangen, als er eigentlich wollte, auch wegen des Widerstands der Kantone. Sind Sie zufrieden?
Pierre Alain Schnegg, Gesundheitsdirektor: Ich bin sehr zufrieden mit den verschiedenen Entscheidungen, die der Bundesrat gefällt hat. Das ist, glaube ich, eine gute Abwägung zwischen Epidemie und Gesellschaft.
Sie haben sich vor allem persönlich dagegen gewehrt, gegen die Idee des Bundesrats die Testpflicht wieder einzuführen an den Schulen. Warum?
Ja, wir haben das im Kanton Bern schon gehabt. Wir haben die Entwicklungen wirklich verfolgt zwischen den Kantonen mit und ohne Massentests und die Resultate zeigen keine Verbesserung mit den Massentests. Und die Massentests sind eine grosse Störung des Schulbetriebs. Darum sind wir der Meinung, dass wir mit anderen Massnahmen mindestens so gut wie mit den Massentests arbeiten können.
Es gab auch andere Punkte, wo Sie bremsen wollten. Bundesrat Berset hat heute ein bisschen Unverständnis gezeigt. Die Kantone hätten den Bundesrat aufgefordert, zu handeln, um danach zu sagen, er sei zu weit gegangen. Haben Sie ein wenig Verständnis für dieses Unverständnis?
Ja, absolut. Ich habe Verständnis. Ich meine, der Bundesrat hat gerade in solchen Fällen keine einfache Arbeit. Aber eine Konsultation ist genau ein Prozess, wo man die verschiedenen Ideen äussern kann und dann gibt es eine Abwägung der Instanz, die die Entscheidung treffen muss. Auf der anderen Seite muss ich sagen, dass fast alle Kantone Massnahmen entschieden haben. In Bern sind die Massnahmen schon diese Woche umgesetzt worden.
Maskenpflicht?
Ja, wir haben die Maskenpflicht. Wir haben auch die Zertifikatspflicht, sogar in gewissen Aussenveranstaltungen. Wir haben auch verschiedene Sachen entschieden und das deckt sich jetzt ziemlich gut mit dem, was der Bundesrat entschieden hat.
Der Bundesrat hat aber auch gesagt, die Kantone müssen allenfalls noch weiter gehen. Reichen aus Ihrer Sicht die Massnahmen, um zum Beispiel im Kanton Bern die Fallzahlen nach unten zu bringen?
Ich bin wirklich der Überzeugung, dass diese Massnahmen uns helfen werden, diese Entwicklung zu stoppen und in ein paar Wochen die Fallzahlen nach unten zu bringen. Der Hauptpunkt sind nicht die Fallzahlen, der Hauptpunkt ist die Anzahl der hospitalisierten Covid-Patienten auf den IPS-Stationen. Im Moment sind die Spitäler unter hohem Druck, da bin ich völlig einverstanden, aber nur ein Viertel der IPS-Belegung sind Covid-Patienten.
Aber trotzdem: In Ihrem Kanton sind die Intensivstationen voll. Ist das nicht einfach nur eine Hoffnung, wenn Sie jetzt glauben, das reiche oder kommen Sie jetzt doch bald mit neuen Massnahmen?
Wenn diese Entwicklung nicht stoppt, werden wir mit anderen Massnahmen kommen müssen. Auf der anderen Seite ist die Breite der möglichen Massnahmen nicht wahnsinnig hoch. Der Bundesrat hat heute zum Beispiel für Institutionen, die das wünschen, 2G entschieden. Das ist eine Möglichkeit, wenn sich die Situation zuspitzt. Aber der nächste Schritt ist gewisse Mengenbeschränkungen an Veranstaltungen oder Schliessungen.
Herr Schnegg vor einem Jahr waren Sie bekannt dafür, dass Sie sehr schnell Massnahmen beschlossen haben. Jetzt haben Sie plötzlich ein bisschen den Ruf, abzuwarten. Ist das auch ein bisschen die Rücksicht auf den Druck der eigenen Partei? Sie sind in der SVP.
Ich lasse mich nicht unter Druck setzen von der Partei oder von Anderen. Ich glaube, wir sind in einer ganz anderen Phase der Pandemie. Heute hat man die Möglichkeit sich zu schützen. Es gibt einen Impfstoff, der wirkt. Vielleicht nicht so gut, wie wir es gedacht haben am Anfang, aber die Wirkung ist stark und verhindert, dass die Leute auf der IPS landen. Wir haben auch verbesserte Behandlungsmethoden, auch wenn auf dieser Seite noch nicht alles da ist, was man erwarten kann. Und noch einmal, heute haben wir im Kanton Bern ungefähr die Hälfte der Covid-Patienten im Spital, die wir vor einem Jahr hatten. Das heisst, wir sind in einer anderen Phase der Pandemie.
Das Gespräch führte Gion-Duri Vincenz