Dutzende Stunden wurde die «Altersvorsorge 2020» im Parlament beraten. Heute hat sie die Schlussabstimmung im Parlament überstanden. Während unter den Parlamentariern verhaltene Freude herrschte, dürfte die Erleichterung bei Alain Berset gewaltig sein: Denn die Reform ist eng mit seinem Namen verbunden.
Der Freiburger SP-Bundesrat hat einen Grossteil seiner ersten fünf Jahre im Bundesrat in diese Vorlage investiert. Mit der gleichzeitigen Reform von erster und zweiter Säule ist er ein hohes Risiko eingegangen.
Doch Bersets Arbeit ist noch lange nicht getan. Der Abstimmungskampf beginnt bald: Am 24. September richtet das Stimmvolk über die Vorlage – und über Bersets Vermächtnis.
Im «Tagesgespräch» von Radio SRF erklärte der Sozialminister, wie er seine grösste Schlacht gewinnen will.
Die Jungen werden nicht über den Tisch gezogen
Der Abstimmungskampf hat noch nicht begonnen, aber ein zentrales Argument der Gegner ist bereits bekannt. Der Vorwurf: Die junge Generation bezahle die Zeche für die Reform. Bersets Reaktion überrascht – zumindest auf den ersten Blick: «Ja, die junge Generation wird zur Kasse gebeten.» Doch mit der Reform bekomme sie auch etwas zurück, findet der SP-Bundesrat: «Die Vorlage strapaziert den Generationenvertrag viel weniger, als es heute der Fall ist.» Die Reform sei alternativlos, denn die eigentliche Katastrophe wäre der Status quo: «Zahlen, zahlen, zahlen – und am Ende nichts bekommen. Die Reform ist eine riesige Verbesserung», bilanziert Berset.
Die Reform für die Ewigkeit gibt es nicht
Die letzte AHV-Revision liegt 19 Jahre zurück, das Ziel der aktuellen war klar: Die Alterswerke nachhaltig sanieren. Der Vorwurf: Aus der Mammut-Reform ist ein Reförmchen geworden. Im Parlament sei ein Kompromiss herausgekommen, finden bürgerliche Kritiker, der die Finanzierung der AHV langfristig nicht gewährleiste. Klar ist schon jetzt: In zwölf Jahren drohen Milliardendefizite: «Es lag keine Alternative auf dem Tisch», kontert Berset. Niemand habe eine Reform vorgelegt, die die 1. und 2. Säule «auf alle Ewigkeit» sichere – und das sei auch nicht möglich, so der Sozialminister: «Wir müssen ehrlich sein zu den Menschen: Wir können heute noch keine Lösung finden, die schon jetzt bis 2040 reicht.»
Die Rentenalter-Debatte ist überholt
Das Ende aller Rentendebatten ist also fern, die altbekannten Forderungen bleiben. Der Vorwurf: Ohne Anhebung des Rentenalters sind die Alterswerke nicht finanzierbar. Zähneknirschend hat das rechtsbürgerliche Lager bei der «Altersvorsorge 2020» auf das Rentenalter 67 verzichtet. Berset fordert in der Frage jedoch generell ein Umdenken: «Es wird künftig um Flexibilisierung gehen und nicht um eine starre Zahl. Schon die jetzige Reform beinhaltet sehr wichtige Schritte für die Flexibilisierung zwischen 62 und 67.» Er sei zuversichtlich, dass sich die verhärteten Fronten bei der Rentenalter-Debatte künftig entspannen würden, schliesst Berset.
Unglückliche Politiker, glückliche Bürger
Im Parlament legte Bersets Prestige-Projekt eine Punktlandung hin: Mit 101 erreichte die Vorlage exakt die erforderliche Stimmenzahl. Doch die Opposition gegen die Vorlage ist beträchtlich. Der Vorwurf: Die Rentenreform ist das ungeliebte Stiefkind der Politik und dem Volk nicht zu verkaufen. So richtig glücklich scheint kaum eine Partei mit der «Altersvorsorge 2020», das weiss auch der SP-Bundesrat: «Aber es ist das politische Machbare.» Kompromisse seien das Wesen der Schweizer Politik, und der Kompromiss um die Rentenreform sei ein guter – vielleicht nicht für die Politiker, aber für die Bevölkerung: «Für die nächsten zwölf Jahre sind die Renten gesichert, das Niveau wird gehalten und das Rentenalter bleibt bei 65.»
Die Vorlage ist politisch eingemittet
Die tieferen Renten aus der Pensionskasse werden mit dem 70-Zustupf für AHV-Neurenten ausgeglichen. Der Vorwurf: Die Rentenreform hat gehörigen Linksdrall. Auch diese Kritik will Berset nicht gelten lassen: «Die AHV ist eine zentrale Säule des gesellschaftlichen Zusammenhaltes». Diesen überparteilichen Konsens infrage zu stellen, sei hochgradig problematisch. Und: Er vertrete keineswegs eine linkslastige Vorlage, sagt Berset: «Die Rentenreform senkt den Umwandlungssatz in der 2. Säule. Das ist eine alte Forderung der bürgerlichen Parteien. Genauso wie die Anhebung des Rentenalters für Frauen.» Und die Vorlage reagiere auf die Alterung der Gesellschaft nicht, indem sie den Lohn anzapfe, sondern indem sie bei der Mehrwertsteuer ansetze. Auch das sei stramm bürgerlich, findet Berset.