Die Reform der Altersvorsorge hat auch die Schlussabstimmung überstanden. Es reichte eine einfache Mehrheit. Diese kam im Ständerat mit 27 zu 18 Stimmen zusammen, im Nationalrat votierten 100 für und 93 gegen das Bundesgesetz – bei 4 Enthaltungen.
SRF: Wer kann sich denn nun im Bundeshaus feiern lassen?
Géraldine Eicher: Keiner hat wirklich Grund dazu. Weil es keine reinen Sieger gibt. Alle haben etwas zu verdauen, auch die SP: Sie hat für die Altersreform ein Druckmittel aus der Hand gegeben. Sie kann nun nicht mehr sagen «Frauenrentenalter 65 gibt es nur gegen Lohngleichheit»! Und Magengrummeln haben etwa auch die Bauern in der SVP. Sie haben mit dem Drücken auf den Abstimmungsknopf Nein gesagt zu 70 Franken mehr AHV-Rente, haben also gegen die Interessen ihrer Wähler gestimmt, aus Rücksicht auf die Partei.
Nun kommt es noch zu einer Volksabstimmung – nach 20 Jahren Blockade. Hat die Demokratie gesiegt?
Urnengänge sind Teil der Demokratie, was dies betrifft, also Ja. Nicht sehr demokratisch wirkt aber, wie gestern im Bundeshaus Politikerinnen und Politiker mit mehr oder weniger sanftem Druck motiviert wurden, gegen ihre Überzeugung, gegen Ihre Wähler, aber für die Partei und deren Strategie zu stimmen – nur um so Einigkeit demonstrieren zu können. Es ist Teil des politischen Taktierens, stimmt aber doch nachdenklich vor dem Hintergrund der viel gepriesenen Meinungsäusserungsfreiheit.
Die Reform ist das wichtigste Geschäft für Bundesrat Alain Berset. Geht er nun gestärkt aus dieser Session?
Für den Moment jedenfalls. Er hatte gestern einen überzeugenden Auftritt im Parlament. Ob er auch das Volk überzeugen kann, ist eine andere Frage.
Alain Berset wird wohl schon heute nach dem Ja in der Schlussabstimmung damit beginnen, seine Botschaft ins Volk zu tragen.
Er hat ja gestern ausserhalb des Ratssaals demonstrativ geschwiegen.
In einer Abstimmung wird der Sozialdemokrat Widerstand aus den eigenen Reihen haben: Gewerkschafterinnen und Junge – auch wenn Berset jetzt gestärkt ist, eine kräftezehrende Zeit steht an.
Das Gespräch führte Claudia Weber.