Christoph Meili ist gut drauf. Im Auto vom Bahnhof zu seiner Wohnung redet der 50-Jährige wie ein Wasserfall, er freut sich über das Interesse an seiner Person. Es gehe ihm gut, er sei froh, wieder in der Schweiz leben zu können.
Seine turbulente Vergangenheit betrachte er heute mit Distanz. «Es war eine schwierige Zeit, aber man lernt auch viel.» Er sei reifer geworden: «Wir waren damals völlig überfordert.» Die Strasse zu Meilis Zuhause heisst Kreuzacker. Dort leuchtet ein goldener Jesus, ans Kreuz genagelt, in der Mittagssonne.
Sein Hobby ist die Wachtelzucht
Der berühmteste Wachmann der Welt, ein gläubiger Christ, ist angekommen. Im doppelten Sinne: Der Heiland ist ihm immer noch nah, nie habe er seinen Glauben verloren, sagt er. Nie. Oben, in der kleinen Wohnung, raschelt und zischelt es ständig. Das sind die Wachteln auf dem Balkon, Meilis Hobby. Daneben macht er den Haushalt, kocht für seine dritte Frau Nadja.
Dank ihr hat er wieder Boden unter den Füssen. Vor neun Jahren kam er aus den USA zurück, frustriert, enttäuscht und allein. Sein amerikanischer Traum war geplatzt, der einstige Held ramponierte sein Ansehen, er produzierte sich im Internet und fütterte den Boulevard mit Schlagzeilen. Vieles wurde über ihn gesagt und geschrieben in dieser Zeit, Wahres und Unwahres. Dazu kamen private Tragödien; zwei Scheidungen und drei Kinder, die in den USA blieben.
Radio- und TV-Verkäufer ohne Arbeit
Aber auch in der Schweiz hat niemand auf ihn gewartet: «Ich bin jemand, der von der Arbeitsmarktproblematik betroffen ist. Einerseits durch meine Vergangenheit. Andererseits war ich zwölf Jahre im Ausland.» Er sei gelernter Radio- und TV-Verkäufer. «Aber sie nehmen einfach nur noch Junge.»
Meili fühlt sich auf dem Schweizer Arbeitsmarkt diskriminiert. Er arbeitet zwar als Bohrmaschinenverkäufer, aber nur an einem Tag in der Woche. Seine dritte Frau unterstützt ihn, nicht nur finanziell. Dennoch hadert er nicht – nicht mehr.
Und er steht zu seinem Leben. Meili weiss, dass er nicht unschuldig ist an seinem Image. Er habe manchmal gerne provoziert. Heute ist er vor allem dankbar, denn er habe auch wunderbare Sachen erlebt: «Manchmal haben uns die Journalisten ihr Honorar gegeben. Es hiess, ‹wissen Sie, wir sind geschickt worden, um etwas zu finden, wir fanden aber nichts. Diese 300, 400 Franken können Sie haben, Sie brauchen das.› Ich habe unglaubliche Sachen erlebt.»
In die USA auswandern war ein Fehler
In die USA auswandern würde er heute nicht mehr: «Sie sind der ganzen Meute ausgeliefert. Sie sind Freiwild, haben keinen Schutz mehr. Sie können mit Ihnen machen, was sie wollen.» Auch seine berühmte Tat, die Bankakten vor dem Schredder zu retten, hat er schon verwünscht. Der Preis sei zu hoch gewesen.
Es ist interessant, wie sich vieles entwickelt hat. Heute stehe ich dahinter. Aber man darf schon zweifeln.
Doch heute ist er wieder stolz darauf: «Das hat etwas bewirkt. Es ist interessant, wie sich vieles entwickelt hat. Heute stehe ich dahinter, absolut. Aber man darf schon zweifeln, man kommt an seine Grenzen.»
Er habe eine Mission gehabt, von Gottes Hand geführt, sagt Meili. Seine Stimme zittert: «Ich erinnere mich, wie ich in Auschwitz war, einen Stein aufhob und auf die Schienen legte, und sagte: Das ziehen wir durch, für die Opfer, die es betraf.» Jetzt, 20 Jahre nach dem grossen Sturm, konnte er mit der Vergangenheit abschliessen. Auch für ihn gilt: «Zeit heilt, wie man sagt.»