Die Felche war lange Zeit der Brotfisch der Bodenseefischer. Der Ertrag ist aber zurückgegangen und mittlerweile historisch tief. So tief, dass das Überleben ihres Berufsstands gefährdet sei, klagen die Fischer. Nun soll ein Fisch, den bis jetzt niemand so richtig wollte, die fehlenden Felchen ersetzen: das Rotauge.
Ein Teil der Fischer schwenkt um
Bis jetzt ist das Rotauge als Speisefisch noch nicht sehr beliebt. Die Berufsfischer Timon und Claudio Görtz setzen ihre Hoffnungen trotzdem auf ihn. Denn die Fangerträge sind beachtlich: «Manchmal sind 20 Kilogramm in einem Netz», sagt Claudio Görtz.
Manchmal haben wir in einem Netz bis zu 20 Kilogramm Rotaugen.
«Früher waren wir nicht auf das Rotauge angewiesen. Heute kommen wir um den Fisch nicht mehr herum», sagt er. Denn wenn die Fische verschwänden – und das tue die Felche – dann verschwänden auch die Berufsfischer, ist er überzeugt.
Das Rotauge gehört zu den Weissfischen, die sich ab den 1980er-Jahren stark vermehrten. Weil sie den Bestand der Edelfische bedrohten, zahlte der Bund den Fischern Subventionen, damit sie die Weissfische überhaupt aus dem See holten.
Verarbeitet zu Konserven wurden Rotauge und Co. dann in Entwicklungsländer verschenkt. Auf den Büchsen stand stolz und gross: «Ein Geschenk der Schweizerischen Regierung.»
Selber essen statt verschenken
Jetzt soll der Fisch also auch bei uns häufiger auf dem Teller landen. Berufsfischer Claudio Görtz ist vom Erfolg überzeugt. «Der Zeitgeist dafür ist reif, alle reden von Nachhaltigkeit», sagt er. Das Rotauge werde vor der Haustüre gefangen. Ein regionaler Fisch also, der nicht mit dem Flugzeug in die Schweiz geflogen werden muss.
Der Aufwand für die Fischer ist mit dem Rotauge allerdings grösser als bei den Felchen. Der Fleischanteil ist kleiner, die Verarbeitung aufwändiger. «Das Rotauge hat wahnsinnig viele Gräten im Fleisch», sagt Fischer Görtz.
Das Rotauge hat wahnsinnig viele Gräten im Fleisch.
Das Filetieren des Fisches sei zwar schwieriger als bei anderen Fischen. Mit einer Maschine könnten die Gräten aber verschnitten werden, sagt Görtz. «So sind sie kein Problem, man kann sie gut essen.»
Für Thorsten Reichertz, Küchenchef des Restaurants Schloss Wartegg in Rorschacherberg, ist das Rotauge ein «neutraler Fisch», wie er sagt. Trotzdem hat er ihn auf die Speisekarte genommen. «Der Fisch schmeckt nach nichts und ist deshalb auch offen für Gewürze», sagt der Küchenchef. Das Schloss Wartegg ist eines der wenigen Restaurants, die das Rotauge anbieten.
Dieser Fisch schmeckt nach nichts.
Im Moment sei das Interesse am Rotauge bei den Gästen noch gering, sagt Reichertz. Er gibt aber nicht auf: «Das Rotauge hat einen schlechten Ruf, deshalb braucht es Zeit». Die Leute müssten erst mal die Hemmungen verlieren und einfach probieren.
Rotauge frisst Quaggamuscheln
Auch Berufsfischer Claudio Görtz setzt weiterhin auf das Rotauge. Der Fisch hat nämlich einen weiteren grossen Vorteil: Er frisst die eingeschleppten Quaggamuscheln, die sich im Bodensee stark verbreiten. «Wir haben die Hoffnung, dass sich die Rotaugen jetzt auf diese Muscheln stürzen», sagt der Berufsfischer.
Trotzdem soll das Rotauge nicht überfischt werden. In den Rotaugen sieht Görtz nämlich die letzte Chance, wenn sein Beruf auch in Zukunft überleben soll. Die Gefahr der Überfischung sei aktuell aber noch klein. «Von den Rotaugen hat es momentan mehr als genug im See.»