Polen und Rapperswil – das ist eine spezielle Geschichte. Sie reicht zurück bis ins 19. Jahrhundert, und handelt vom Kampf für Unabhängigkeit und Eigenständigkeit. 1870 gründete eine Gruppe von Exilpolinnen und -polen in Rapperswil das Polenmuseum, damals das erste Nationalmuseum und für Polen bis heute eines der wichtigsten Museen überhaupt.
Lange Zeit war das Museum im Schloss Rapperswil beheimatet, doch nach einer Volksabstimmung im Herbst 2020 war klar: Das Museum muss das Schloss definitiv verlassen und einem Ortsmuseum Platz machen. Die Ortsgemeinde Rapperswil-Jona, der das Schloss gehört, erhofft sich so mehr Besucherinnen und Besucher. Die Umbauarbeiten im Schloss beginnen im Oktober, bis Ende Juni musste das Polen-Museum weichen.
Wachküssen, mit polnischem Touch
Doch nun hat es eine neue Heimat gefunden, nur einige Meter weiter unten am See, in einem anderen Wahrzeichen der Stadt: dem Hotel Schwanen. Das Hotel stand sechs Jahre lang leer, jetzt hat es der polnische Staat über eine Stiftung gekauft.
Das wurde Anfang Juli im leeren Schwanensaal in Rapperswil verkündet, vom stellvertretenden polnischen Ministerpräsidenten Piotr Glinski, unter den Augen zahlreicher Gäste sowie Vertreterinnen und Vertretern der polnischen Regierung und der Botschaft. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart, polnische Zeitungen schrieben von 25 Millionen Franken.
Das Polen-Museum soll im kleineren Teil des Schwanen eingerichtet werden. Ein polnisches Bildungs- und Forschungsinstitut soll dazukommen. Auch den Hotel- und Gastronomiebetrieb will man wieder aufnehmen – immerhin verfügt der Schwanen über ein Restaurant, 25 Zimmer sowie Bankett- und Seminarsäle. «Wir wollen den Schwanen wach küssen. Vielleicht mit einem polnischen Touch, mit einer polnischen Küche», sagt die polnische Botschafterin Iwona Kozlowska. Deshalb sucht man nun eine Pächterin oder einen Pächter.
Kein unabhängiges Polen ohne Rapperswil
Weshalb aber steht in Rapperswil ein Polen-Museum? Und weshalb bedeutet es den Polinnen und Polen so viel? Im 19. Jahrhundert beherbergte die Schweiz polnische Flüchtlinge, die ein grosses Ziel hatten: Einen unabhängigen polnischen Staat. Polen war damals zwischen Russland, Preussen und Österreich-Ungarn aufgeteilt – in Rapperswil wurde der Grundstein für ein unabhängiges Polen gelegt.
«Hier wurden die polnischen Parteien gegründet, hier wurden die polnischen Vereine gegründet. Rapperswil ist deshalb für die Geschichte und die Leute Polens sehr wichtig», sagt Anna Buchmann, Direktorin des Polenmuseums. 1918 wurde Polen schliesslich unabhängig – doch die Schweiz blieb Zufluchtsort, etwa im Kalten Krieg.