Das Wichtigste in Kürze
- Der nun auf einen unbestimmten Termin verschobene Besuch des türkischen Aussenministers Mevlüt Cavusoglu wirft grundsätzliche Fragen auf. Die Zürcher Regierung wollte den Auftritt verbieten. Beim Bund sah man dazu keinen Anlass.
- Man wolle auch kein Präjudiz schaffen, sagt Staatssekretärin Pascale Baeriswyl. Verbiete man heute, müsse künftig in jedem einzelnen Fall beurteilt werden, ob ein Anlass stattfinden darf oder nicht.
- Zudem halte man die Meinungsfreiheit hoch: «Die Leute sollen ihre Meinung frei ausdrücken, ohne dass wir dazu Stellung beziehen müssen.»
Erst seit 100 Tagen ist Pascale Baeriswyl als Staatssekretärin im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) tätig. Doch bereits hat sie eine besonders brisante diplomatische Affäre zu bewältigen.
Für Unruhe sorgt der ursprünglich für Sonntag geplante Auftritt des türkischen Aussenministers Mevlüt Cavusoglu in der Schweiz. Cavusoglu hätte im Hotel Hilton Airport in Opfikon (ZH) sprechen wollen. Allerdings hat das Hotel die Veranstaltung wegen Sicherheitsbedenken abgesagt.
Für eine Absage der Veranstaltung hatte sich die Zürcher Regierung stark gemacht. Das EDA sieht durch den nun verschobenen Besuch von Cavusoglu jedoch keine besonders erhöhte Bedrohung der inneren Sicherheit.
Die Leute sollen ihre Meinung frei ausdrücken, ohne dass wir dazu Stellung beziehen müssen.
Man nehme die Sorgen der Zürcher Regierung und der Polizei ernst, unterstreicht Baeriswyl. «Aufgrund der Sicherheitslage haben wir aber keinen Grund gesehen, den Besuch zu vermeiden», erklärt die Chefdiplomatin in der «Samstagsrundschau».
Würde man einen Besuch Cavusoglus effektiv verbieten, befürchtet Baeriswyl ein Präjudiz für die Zukunft: «Wir müssten dann bei jedem Besuch überlegen, ob der Bundesrat auf Basis der Verfassung diesen verbieten soll.» Von Seiten der Regierung wird auch betont, dass man die freie Meinungsäusserung in der Schweiz hochhalten will. «Die Leute sollen ihre Meinung frei ausdrücken, ohne dass wir dazu Stellung beziehen müssen», sagt Baeriswyl.
Die Staatssekretärin ist sich aber der speziellen Umstände eines allfälligen Besuchs bewusst. Es sei klar, dass man in diesem Fall wir vom türkischen Aussenminister erwarte, «dass er sich ans Schweizer Recht hält und dass er respektvoll auftritt». Sollte man Hinweise erhalten, dass die Situation nicht anders zu bewältigen sei, könne sich der Bundesrat immer noch anders entscheiden.
Wir sprechen mit niemandem darüber, wer bei uns ein Asylgesuch stellt – auch nicht mit den türkischen Behörden.
Der umstrittene Auftritt ist aber nicht der einzige heikle Punkt in der Beziehung zwischen der Schweiz und der Türkei. Vergangene Woche wurde bekannt, dass der ehemalige türkische Vize-Botschafter in der Schweiz um Asyl ersucht. Just am selben Tag traf sich Baeriswyl mit dem aktuellen Botschafter. Dies sei aber kein Thema gewesen. «Wir sprechen mit niemandem darüber, wer bei uns ein Asylgesuch stellt – auch nicht mit den türkischen Behörden.»
Trotzdem: Ist die offizielle Schweiz nicht zu weich gegenüber dem autoritären Kurs der Türkei? Zumal die türkische Botschaft auch hierzulande mehr oder weniger offen Sympathisanten der Bewegung um den Prediger Fettullah Gülen gedroht hat. Man müsse in solchen Fällen zwischen Communiqués und nicht-öffentlichen Gesprächen unterscheiden, erklärt die Diplomatin. «Aussenminister Burkhalter hat seinen türkischen Amtskollegen in letzter Zeit oft getroffen. Man hat sich nicht nur mit Samthandschuhen angefasst.»
Sollte ein anderer Staat Schweizer Recht verletzen, müsse dies Konsequenzen haben, sagt Baeriswyl. Auch wenn es kein offizielles Verfahren durch die Bundesanwaltschaft gebe, müsse dies nicht heissen, dass nichts gemacht werde. «Es ist gut, dass man nicht öffentlich darüber reden kann, wo es ein Verfahren gibt.» Ob die Bundesanwaltschaft tatsächlich aktiv ist, lässt Baeriswyl aber offen.