Eine verlorene sei die zu Ende gehende 50. Legislatur des Parlaments. Linke Politiker werden nicht müde, dies im Wahlkampf zu wiederholen. Auch heute nach der Erhöhung des allgemeinen Kinderabzugs – möglich gemacht durch einen Schwenker der FDP – wetterte SP-Fraktionschef Roger Nordmann, der Abzug sei ein Geschenk für Gutverdienende.
War die letzte Legislatur tatsächlich geprägt von einer rechtsbürgerlichen Mehrheit, die sich spielend gegen Links-Grün durchsetzte? Nein, so einfach ist das nicht.
Kein Durchmarschieren von FDP und SVP
Eine Auswertung aller Abstimmungen dieser Legislatur im Nationalrat von smartmonitor.ch kommt zwar zum Schluss: In jeder dritten Abstimmung war das bürgerliche Lager (CVP, FDP, SVP) gegen Links-Grün (SP, GPS) erfolgreich. Die Auswertung zeigt aber auch: Die hauchdünne rechtsbürgerliche Mehrheit von FDP und SVP (101 Stimmen im Nationalrat) hat sich nur bei jeder 12. Abstimmung durchgesetzt, also selten. Und sehr oft gab es die Konstellation alle gegen die SVP.
Warum diese schwache Bilanz für die Rechtsbürgerlichen trotz numerischer Mehrheit? Dafür gibt es zwei Gründe:
Erstens: FDP und SVP sind sich nur in Steuer- und Finanzfragen einig. Bei der Europapolitik, in gesellschaftspolitischen Fragen und neu bei der Klimapolitik gibt es grosse bis unüberwindbare Differenzen. Folglich konnte die rechtsbürgerliche Mehrheit nicht einfach «durchmarschieren».
Zweitens: Im Ständerat ist die SP (mit 12 Sitzen) zusammen mit der CVP (14 Sitze) und der FDP (12 Sitze) eine der drei Grossmächte. Mit dem taktisch gewieften Parteipräsidenten Christian Levrat im Ständerat schlugen sich die Sozialdemokraten mehr als ordentlich in einem bürgerlich geprägten Parlament. Das zeigen folgende Beispiele:
- Masseneinwanderungsinitiative (2016): Dort schaffte es SP-Ständerat Paul Rechsteiner mit seiner St. Galler FDP-Kollegin und heutigen Bundesrätin Karin Keller-Sutter und mit Ex-FDP-Präsident Philipp Müller die «MEI» EU-kompatibel umzusetzen mit dem «Inländervorrang». Ihnen gelang für einmal die Quadratur des Kreises.
- Steuer-AHV-Reform (2019): Dort schaffte es erneut Rechsteiner, die bürgerlichen Schwergewichte Konrad Graber (CVP) und Karin Keller-Sutter (FDP) für einen Deal ins Boot zu holen. Der «Kuhhandel» war geboren, beim Volk kam er durch.
Von wegen verlorene Legislatur: Dank starker Ständeräte und wechselnder Allianzen im Nationalrat schlug sich die SP auch nach dem Rechtsruck vor vier Jahren wacker.
Die Frage der Nachfolge
Die SP dürfte weniger ein Problem mit den angeblich «verlorenen» vier Jahren dieser Legislatur haben, als mit den vielen Rücktritten ihrer Vertreter im Ständerat. Sieben von zwölf SP-Ständeräten hatten heute ihren letzten Arbeitstag. Schwergewichte wie Claude Janiak (wichtig in Rechtsfragen), Anita Fetz (wichtig in Finanzfragen) oder Pascale Bruderer (wichtig für den Kontakt ins bürgerliche Lager) werden den Sozialdemokraten fehlen. Solche Figuren waren es, die verhinderten, dass in einem erzbürgerlichen Land mit klaren bürgerlichen Mehrheiten die Rechten einfach tun können, was sie wollen.
Diese sieben Ständeratssitze muss die SP jetzt verteidigen. Neue Köpfe sind gefragt. Das wird nicht einfach werden etwa in Genf, der Waadt oder im Kanton Basel-Landschaft. Sollte es trotzdem gelingen, dann müssen die neuen SP-Ständeräte die grossen Fussabdrücke ihrer Vorgänger rasch ausfüllen.
So ist die Chance real, dass auch die 51. Legislatur des Schweizer Parlaments für die SP nicht eine «verlorene» wird.