- Auch Schweizer Unternehmen erkennen das Potenzial der digitalen Gesichtserkennung und lancieren erste Pilotversuche.
- Am Flughafen Zürich wird die Gesichtserkennung bereits getestet.
- In China setzt die Regierung heute schon auf digitale Gesichtserkennung mit dem Ziel, alle Bewohner Chinas ab 18 Jahre orten zu können.
Derzeit trägt man Identitätskarte und Passwörter noch diskret mit sich und fühlt sich dabei anonym. Aber genau diese Anonymität droht bald zu verschwinden. Denn immer häufiger steht der Mensch selber im Fokus. Das Gesicht könnte schon bald zur Identitätskarte, Kundenkarte, zum Pin-Code oder gar zur Zielscheibe werden. Auch in der Schweiz macht sich dieses Phänomen breit.
Seit letztem September ist die digitale Gesichtserkennung auch in der Schweiz zum öffentlichen Thema geworden. Damals lancierte Apple das neue iPhone X, das sich mit der sogenannten «Face ID» entsperren lässt. Dafür vermisst der Computer das Gesichtsfoto des Smartphone-Besitzers, etwas mit dem Abstand der Pupillen oder der Höhe der Nase. In Zukunft soll sich die digitale Gesichtserkennung aber nicht nur auf das Smartphone beschränken.
Die neue Technologie wird auch am Flughafen Zürich getestet. Dort erkennen Kameras jeden Passagier und eine Software meldet, ob der Pass tatsächlich einem Passagier gehört.
Im Ausland schreitet die Entwicklung voran
Die Schweiz hinkt dem Ausland noch etwas hinterher, was die weiteren Nutzungsmöglichkeiten der umstrittenen Technologie angeht. In Grossbritannien beispielsweise hat die Polizei bereits 18 Millionen Gesichter vermessen, um so in U-Bahn-Passagen Terroristen oder vermisste Kinder erkennen zu können.
In China geht die Regierung sogar noch einen Schritt weiter. Der Staat will alle Menschen ab 18 Jahren digital orten können. Laut der «Taipeh Times» sind im Reich der Mitte bereits 170 Millionen Kameras installiert – weitere 450 Millionen sind geplant.
Auch beim chinesischen «Alibaba»-Konzern kann der Kunde ohne Kreditkarte – mit seinem blossen Gesicht – bezahlen. Erste Banken in China bieten diesen Service ebenfalls schon an.
Pilotversuche auch in der Schweiz
Auch in der Schweiz gibt es Informatik-Pioniere, die sich mit den vielfältigen Möglichkeiten der digitalen Gesichtserkennung beschäftigen. Einer davon ist Dominik Brumm, Software-Entwickler bei der Cubera-Solution AG in Feldmeilen (ZH).
Die jungen Software-Entwickler starteten einen Pilotversuch mit digitaler Gesichtserkennung im Gastgewerbe. Dabei werden in einem Bistro in Meilen (ZH) die Kunden bei ihrer Bestellung von einer Smartphone-Kamera gefilmt. Das Gesicht des Kunden und dessen Bestellung werden daraufhin im System erfasst. Bei einem nächsten Besuch erkennt das System den Kunden wieder und zeigt der Wirtin auf einem Bildschirm, welche Vorlieben der Kunde hat.
Noch zu wenig Rechtssicherheit
Von den Bedenken gegenüber der neuen Technologie will sich der Ingenieur nicht ausbremsen lassen: «Ich denke, die grossen Firmen haben einen gewissen Respekt. Sie hören bei diesem Thema eher auf die Stimmen aus der Bevölkerung. Uns ist hingegen die Innovation wichtiger.»
Etwas kritischer äussert sich Informatikprofessor Thomas Vetter: Er sieht in Bezug auf die digitale Gesichtserkennung noch zu wenig Rechtsklarheit für Anwender und Bürger:
«Zukünftig werden Computerprogramme unser Verhalten analysieren und ganze Persönlichkeitsprofile berechnen. Im Kontrast zu diesen technischen Möglichkeiten fehlt es aber an gesetzlichen Richtlinien, also was dabei erlaubt ist und was nicht. Für mich als Bürger muss es viel einfacher werden, in Erfahrung zu bringen, was diese Programme über mich speichern.»
Klar ist, die digitale Gesichtserkennung wird in Zukunft den Alltag der Menschen verändern – auch in der Schweiz. Aber viele rechtliche Aspekte müssen noch geklärt werden.