Auf dem Gipfel des Säntis auf 2502 Meter über Meer findet in den nächsten Wochen ein aussergewöhnlicher Versuch statt. Am Experiment hätte wohl auch Benjamin Franklin (1706-1790), der Erfinder des Blitzableiters, seine helle Freude.
Bis zu 400-mal im Jahr schlägt auf dem Säntisgipfel der Blitz in die Spitze des 124 Meter hohen Sendeturms ein. Mit einer Laserkanone wollen Forschende dafür sorgen, dass diese Blitze nun präzise und kontrolliert einschlagen.
«Wie eine sehr lange Spaghetti»
Ein starker Laserstrahl wird dabei an der Turmspitze vorbei in die Gewitterwolke gerichtet. Entlang dieses Strahls wird die sonst isolierende Luft ionisiert, Elektronen werden freigesetzt und es entsteht ein leitfähiger Plasmakanal.
«Man kann sich das vorstellen wie eine sehr lange, heisse Spaghetti», erklärt Clemens Herkommer, der Entwickler des Lasers.
Die Blitze schiessen nun diesem Kanal entlang und werden schliesslich vom Blitzableiter des Turms abgenommen und in die Erde abgeleitet.
Einsatz bei Flughäfen oder Raketenstartrampen
Was hier als Versuch angelegt ist, soll in Zukunft kritische Infrastrukturen schützen. Blitze sollen von schützenswerten Einrichtungen weggeleitet werden, auf einen konventionellen Blitzableiter, beispielsweise am Rande eines Flughafens. Weiter könnten so Atomkraftwerke, Gefahrengut-Lager oder auch Raketen vor dem Start ins All geschützt werden, hoffen die Forschenden.
Der Mann, der hinter der Idee steht, die Naturgewalt zu bändigen, heisst Jean-Pierre Wolf. Der Physiker der Universität Genf forscht seit 20 Jahren auf diesem Gebiet. «Für grosse Anlagen wie Flughäfen bräuchte man einen Blitzableiter von einem Kilometer Höhe. Da kam uns die Idee, mit Laser die Luft leitfähig zu machen», erklärt Wolf.
Allerdings soll der Laser mehr können als einfach Blitzableiter sein. Er soll den Gewitterwolken quasi die Blitze herauskitzeln, damit sich die Wolke nach und nach entlädt.
Erfahrungen sammeln
Zusammen mit dem deutschen Lasertechnikhersteller Trumpf und den Universitäten Genf und Paris wurde die neuartige Laserkanone entwickelt. Finanziert wird das vier Millionen Euro teure «Laser Lightning Rod»-Projekt von der EU.
Die Anlage wird jeweils in Betrieb sein, wenn über dem Ostschweizer Hausberg Gewitter aufziehen. Auch wenn der Laser keine Gefahr ist für Flugzeuge, gilt während des Betriebs rund um den Säntis eine Flugverbotszone. Schliesslich sollen keine Piloten geblendet werden.
Wenn wir hier sehen, dass es sehr einfach ist Blitze zu beeinflussen und einzufangen, dann wird es nicht lange dauern bis zur Kommerzialisierung.
Bis der Laser-Blitzableiter serienreif ist, daure es sicher noch vier bis fünf Jahren, so Wolf. Mit Airbus und dem Raketenbauer Arianegroup sind bereits mögliche Abnehmer am Projekt beteiligt.
Daten sammeln bis Ende September
«Wenn wir hier sehen, dass es sehr einfach ist Blitze zu beeinflussen und einzufangen, dann wird es nicht lange dauern bis zur Kommerzialisierung», hofft Laserentwickler Clemens Herkommer.
Das «Laser Lightning Rod»-Projekt soll also zeigen, ob der Laser als Blitzschutz tauglich ist oder nicht. Bis Ende September, wenn die Gewittersaison zu Ende ist, sollen Daten und Erfahrungen gesammelt werden.