Viele Bauern blicken mit Sorge auf den kommenden Sommer. Denn in einigen Gebieten des Mittellands haben sich die Grundwasserstände trotz Regens im Mai noch nicht erholt. Im neusten Grundwasserbulletin des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) steht: «Normale, teilweise noch immer tiefe Grundwasserbestände und Quellabflüsse.»
Landwirte lassen schon seit Monaten nach neuen Grundwasserquellen für ihre Betriebe bohren. Sie suchen nach Ersatz für Quellen, die im Hitzesommer 2018 ganz oder fast ausgetrocknet sind. Vor allem in Regionen des Mittelands sind Bohrfirmen und Rutengänger über Monate ausgebucht.
Übernutzung «aus Kurzsichtigkeit»
Wasser-Experten kritisieren nun das vermehrte Bohren in der Landwirtschaft und warnen vor eine Übernutzung des Grundwassers. Paul Sicher, Sprecher des Schweizerischen Vereins des Gas- und Wasserfaches (SVGW), hält gegenüber der Rundschau fest, ein «unkoordiniertes Bohren» nach Quellen berge hydrologische Risiken.
«Viele kleine Bohrungen, selbst unterhalb der Meldeschwelle, könnten eine problematische Situation bezüglich Wasserressourcen ergeben, sowohl aus Sicht der Menge als auch der Qualität. Wenn nun jeder für sich individuell nach Quellen bohrt, geben wir die Kontrolle über die Ressource Wasser aus der Hand», betont der SVGW-Sprecher. Das könne insbesondere bei einer Verknappung problematisch sein. Die Ressourcen dürften laut Sicher nicht «aus Kurzsichtigkeit» übernutzt werden. Dies zu vermeiden, sei Aufgabe der Kantone.
Folgen fürs Ökosystem
Risiken sieht auch Daniel Hunkeler, Professor für Hydrogeologie an der Universität Neuchâtel. «Die Gefahr besteht, dass man am falschen Ort die Vorkommen nutzt», sagt er gegenüber der Rundschau. Man suche zum Beispiel mit einer Wünschelrute, bis man irgendwo Wasser finde und zapfe dann oft an, ohne die Folgen für das Ökosystem zu berücksichtigen. «Wenn es sich um ein kleines Vorkommen handelt, dann kann der Grundwasserspiegel lokal absinken und wenn ein Feuchtgebiet oder ein Bach in der Nähe sind, dann kann sich die Vegetation verändern.»
Es brauche eine Koordination, betont Hunkeler. «Das ist auch im Interesse der Landwirtschaft. Wenn alle überall Wasser entnehmen, könnte man in die Situation kommen, dass man sich gegenseitig das Wasser abgräbt.»
Bauernverband: Bohrungen zulässig und bewilligt
Der Schweizer Bauernverband (SBV) weist die Vorwürfe zurück. In der Schweiz sei die Nutzung des Grundwassers stark reguliert, sagt Fabienne Thomas, Leiterin Energie und Umwelt beim SBV. Sie betont: «Dort, wo Landwirte nach zusätzlichem Grundwasser bohren, wissen es die kantonalen oder kommunalen Behörden, und haben in den meisten Fällen eine Bewilligung ausgestellt, die bestätigt, dass eine Bohrung zulässig ist.»
Grundsätzlich, so die Umweltexpertin des SBV, gebe es in der Schweiz ausreichend Grundwasser. Punktuell könne es zu Engpässen kommen, was mit guter Planung aber zu managen sei.