Wer Andermatt einige Jahre nicht mehr besucht hat, erkennt das Urner Bergdorf heute kaum wieder. Rund um den Bahnhof ist viel moderne Architektur mit mehr oder weniger alpinem Anstrich entstanden: Hotels, Apartmenthäuser, Privatvillen. Das Bauprojekt des ägyptischen Investors Samih Sawiris, der vor gut zehn Jahren damit begonnen hat, das beschauliche Dorf in ein mondänes Tourismusresort zu verwandeln, ist in vollem Gang.
Die Verwandlung stösst bei der Kundschaft auf Interesse: Von den bisher gebauten 420 Wohnungen sind praktisch alle verkauft; allein im vergangenen Jahr gingen 92 Apartments weg.
2021 war ein Rekordjahr bei Wohnungsverkäufen
Raphael Krucker, Geschäftsführer von Andermatt Swiss Alps, spricht von einer «sehr starken und sehr positiven Nachfrageentwicklung», Interessenten müssten sich mittlerweile gar auf eine Warteliste setzen lassen. «Wir hatten 2021 ein absolutes Rekordjahr, mit Immobilienverkäufen von 122 Millionen Franken», sagt Krucker. Das sind deutlich mehr als im Vorjahr, als Wohnungen für 77 Millionen verkauft wurden.
Diese Steigerung kommt nicht von ungefähr. Denn das Resort in Andermatt profitiert zunehmend von den Folgen der Zweitwohnungsinitiative, der die Stimmbevölkerung vor zehn Jahren zugestimmt hat. Die Initiative verbietet zwar den Bau neuer Zweitwohnungen – das Resort wurde jedoch bewilligt, bevor das Verbot in Kraft trat.
Corona feuert die Nachfrage an
Andermatt ist damit der einzige Ort in der Schweiz, an dem laufend neue Wohnungen auf den Markt kommen, die auch als Zweitwohnsitze gebraucht werden dürfen. Und dies in einer speziellen Situation, wie Daniel Steffen sagt. Er ist Immobilienökonom an der Hochschule Luzern: «Wir sehen im Moment eine erhöhte Nachfrage nach Wohnungen in den Bergen – einerseits als Folge der Corona-Pandemie, andererseits auch, weil Zweitwohnungen als sichere Geldanlagen gelten.»
Dazu kommt eine gesetzliche Sonderstellung des Resorts in Andermatt: Bis 2040 ist es von der Lex Koller ausgenommen, die den Erwerb von Liegenschaften durch Ausländer einschränkt. «Damit steigt der Kreis der Interessenten gleich nochmals», sagt Steffen. «Und diese Interessenten aus dem Ausland sind oftmals sehr zahlungskräftig.»
Die Interessenten aus dem Ausland sind oftmals sehr zahlungskräftig.
Für Andermatt Swiss Alps, die Betreiberin des Resorts, sind das gute Nachrichten – für die Einheimischen unter Umständen jedoch weniger. Denn die Begehrtheit Andermatts treibt die Immobilienpreise auch für sie in die Höhe.
Droht eine Verdrängung der Einheimischen?
«Für junge Familien ist es schwierig geworden, ein Eigenheim zu finden», sagt eine Gastronomin im Dorf. Ein Versicherungsberater fügt an: «Man steht in einem Konkurrenzkampf zu Leuten, die ganz andere finanzielle Möglichkeiten haben als Normalbürger.»
Droht also eine Verdrängung der Einheimischen? Raphael Krucker, Geschäftsführer von Andermatt Swiss Alps, winkt ab. «Es gibt keinen Verdrängungskampf, sondern eine Ergänzung», sagt er. «Es werden weitere Immobilienprojekte kommen, auch im Zentrum von Andermatt, und auch Private werden investieren.»
Es gibt keinen Verdrängungkanpf, sondern eine Ergänzung.
Daniel Steffen von der Hochschule Luzern glaubt dennoch nicht, dass die Immobilienpreise so schnell wieder sinken. «Die Preise werden nicht mehr ganz so stark steigen wie in letzter Zeit, doch sie werden hoch bleiben – denn das Angebot an Wohnungen bleibt ja beschränkt», sagt er.
Gut möglich also, dass in Zukunft nur noch in Andermatt wohnen kann, wer das nötige Kleingeld dafür hat. Das Personal des Resorts jedenfalls lebt bereits heute in den Nachbargemeinden.