1.3 Prozentpunkte mehr Wähleranteil, einen zusätzlichen Sitz im Nationalrat: Die CVP (heute Die Mitte) feierte im Aargau bei den Wahlen 2019 einen kleinen Triumph. Möglicherweise hatte dieser unerwartete Erfolg auch mit einem «Trick» zu tun: Die Mitte trat damals mit sage und schreibe neun Listen an. Insgesamt hatte sie so 127 Kandidierende ins Rennen geschickt.
Unterlisten für Bauern, für Seniorinnen, für Junge, für Vertreterinnen von Gemeindebehörden, für bestimmte Regionen: Der Fantasie der Parteien sind kaum Grenzen gesetzt. Dieses Modell scheint nun – zumindest teilweise – Schule zu machen. Aktuell nominieren viele Parteien in den Kantonen ihre Kandidierenden für den Nationalrat.
Noch ist keine abschliessende Übersicht möglich, aber es zeichnet sich ab: Bei den eidgenössischen Wahlen im Herbst wird es noch einmal mehr Listen und noch mehr Kandidierende geben als bisher. Damit setzt sich der Trend der letzten Jahre ungebrochen fort oder verstärkt sich sogar.
Die Aargauer FDP hat bereits entschieden: Sie tritt mit sechs Listen an. Damit schicken allein die Aargauer Freisinnigen 96 Kandidierende für die Nationalratswahlen ins Rennen. Die Mitte im Kanton Thurgau will sogar mit insgesamt zehn Listen antreten, das entspricht hier 60 Kandidierenden.
Staatskanzleien rechnen mit noch mehr Listen
Die Staatskanzleien in Frauenfeld und Aarau rechnen denn auch mit mehr Kandidierenden. «2019 hatten wir insgesamt 23 Listen. Aufgrund von Vorankündigungen in den Medien könnten es 2023 allenfalls 30 bis 35 Listen sein», schreibt der Thurgauer Staatsschreiber Paul Roth. Die Aargauer Wahlleiterin Annina Sax rechnet sogar mit rund 50 Listen, 2019 waren es noch 36.
Auch in den Kantonen St. Gallen und Solothurn rechnen die Behörden mit einer «leichten Zunahme der Anzahl Listen». Wahlleiterin Pascale von Roll in Solothurn zum Beispiel rechnet mit 30 bis 35 Listen statt der 29, die es vor vier Jahren waren.
Die Behörden in Bern, Zürich und Chur wagen zum aktuellen Zeitpunkt noch keine Prognosen. Die Berner Staatskanzlei weist aber auch darauf hin, dass die Anzahl Listen und Kandidierende bereits in den letzten Jahren gestiegen sei.
Neue Einschränkungen für Wahlwerbung
Das Wahlvolk hat also eine grosse Auswahl. Um die Entscheidung zu erleichtern, können Parteien in einigen Kantonen zusammen mit den Wahlunterlagen auch Werbeprospekte verschicken lassen. Beispielsweise im Aargau wurden die Vorschriften dafür nun aber verschärft.
Maximal noch zwei Flyer pro Partei sind zugelassen, unabhängig davon, wie viele Listen eine Partei aufstellt, sagt Wahlleiterin Annina Sax. «Die Couverts für Wahlwerbung dürfen nicht zu dick sein, sonst steigen die Portokosten massiv.»
Auch die Berner Regierung hat Einschränkungen verfügt. Hier zählt das Gewicht, wie Moritz Zaugg von der Staatskanzlei erklärt: «Der Regierungsrat hat für die Nationalratswahlen 2023 tiefere Limiten beschlossen. Pro Partei sind höchstens 30 Gramm zugelassen.»
Die Parteien setzen also auf eine grosse Zahl von Kandidierenden. Das ist eine logistische Herausforderung für die Wahlbüros. Und eine grosse Aufgabe für Sie als Wählerin oder Wähler: Sie haben die Qual der Wahl.