Seit Jahrhunderten gehören die Silvesterchläuse in gewissen Ausserrhoder Gemeinden einfach dazu: Am 31. Dezember und am 13. Januar ziehen sie in schönen bis wild-wüsten Tenues, «Groscht» genannt, übers Land. Sie zauren, lassen die schweren Schellen klingen und wünschen so ein gutes Jahr. Auch die Hofbachschuppel in Urnäsch. Wir haben die sieben Mitglieder der Chlausgruppe beim Frühstück am Küchentisch kurz vor 6 Uhr am Morgen getroffen.
Die Chläuse wärmen sich am Tisch mit einem Zäuerli auf. Dabei werden sie nicht nur von uns beobachtet. Es gibt sogar internationales Interesse: Ein Kamerateam dreht eine Reportage für 3Sat.
Letztes Jahr hätte es solche Szenen nicht geben dürfen: Die Silvesterchläuse mussten auf Anordnung der Regierung wegen der Corona-Regeln des Bundes zu Hause bleiben. Daran hielten sich aber bei weitem nicht alle. Diverse Schüppel zogen trotzdem los.
Dieses Jahr ist es wieder normal, und wir können mit einer riesigen Freude gehen.
Heuer darf die Tradition gelebt werden und «es ist wieder normal», sagt dazu Hansruedi Diem von der Hofbachschuppel. Ein fast normales Silvesterchlausen also für die Schüppel, wenn da nicht der Beizenbesuch wäre, auf den die Chläuse wegen Corona dieses Mal verzichten.
Nun geht es also los: Die Chläuse kleiden sich ein für den grossen Tag. Trotz angespannter epidemiologischer Lage sind sie wieder unterwegs in der Umgebung von Urnäsch – stiller und ursprünglicher, wie wir in den frühen Morgenstunden vor Ort feststellen.
Noch im Dunkeln beginnen die Silvesterchläuse ihre Tour. «Wir haben noch nicht viele Leute gesehen», sagt einer der Chläuse. Mit Leuten meint er Gäste, Touristinnen und Touristen, von denen merklich weniger die Wege säumen, um die Tradition mit dem beleuchteten Kopfschmuck live mitzuerleben.
Es seien weniger Auswärtige da, bestätigt auch der Gastwirt des Hotels Krone in Urnäsch. Rund ein Drittel der Buchungen in seinem Hotel seien kurzfristig storniert worden.
Der «dringliche Appell» der Ausserrhoder Regierung hat seine Wirkung nicht verfehlt. In einer Mitteilung hatte sie verlauten lassen, dass auswärtige Gäste dem Silvesterchlausen «gänzlich fernbleiben müssen».
Und so ziehen die Silvesterchläuse fast unbeobachtet von Hof zu Hof. Die grossen Menschenansammlungen gibt es nicht. Aber Gäste und Touristen hat es alleweil, wenn auch viel weniger wie üblich. Einige sind schon am Vorabend ins Appenzellerland aus Deutschland oder auch aus der Westschweiz angereist und geniessen die einzigartige Stimmung.
Carweise fahren die Touristinnen und Touristen für gewöhnlich in die Region, buchen Hotelzimmer, kehren in den Restaurants ein, stellen Fotos in die sozialen Medien und das Appenzellerland so ins Schaufenster. Beliebte Sujets dafür sind denn auch die traditionellen Kopfbedeckungen der Silvesterchläuse mit den Alltagsszenen der Sennen.
Diese Cars voll mit Publikum sind heuer ausgeblieben. Der Alte Silvester 2022 wird darum ebenso in die Geschichte eingehen, wie der letztjährige vom 13. Januar 2021, an dem das «Chlausen» offiziell nicht stattgefunden hat, viele Schüppel aber trotzdem hingegangen sind.