National- und Ständerat ringen ab heute bei der Beratung des Bundesbudgets 2024 darum, ob die Landwirtschaft ein paar Dutzend Millionen Franken mehr erhalten soll als vom Bundesrat beantragt. Im Vergleich zu dem, was in den kommenden Jahren auf den Bundeshaushalt zukommt, darf dies als «Budgetkosmetik» bezeichnet werden.
Ukraine und Prämien
Bereits ab 2025 seien nämlich «durchgehend Defizite in Milliardenhöhe zu erwarten», rechnete der Bundesrat vorletzte Woche vor. Kurzfristig ist vor allem die Unterstützung für die Menschen mit Schutzstatus S aus der Ukraine der Grund für die tiefroten Zahlen.
Weil der Krieg andauert, rechnet der Bundesrat entgegen seiner früheren Finanzplanung weiterhin mit Ausgaben in der Höhe von rund 1.25 Milliarden Franken jährlich. Dazu kommen zusätzlich rund 100 Millionen für die Verbilligung der Krankenkassenprämien, die der Bund bisher nicht eingerechnet hat.
Mittel- bis langfristig sind dann die Entwicklung der AHV und die vom Parlament beschlossenen zusätzlichen Ausgaben für die Schweizer Armee verantwortlich dafür, dass der Bundeshaushalt in dramatische Defizite abzurutschen droht.
AHV bereits 2030 wieder aus dem Lot
Zwar tritt am 1. Januar die Vorlage zur «Stabilisierung» der AHV («AHV 21») in Kraft, die das Schweizer Stimmvolk im September 2020 angenommen hat. Doch die im Sommer publizierten Finanzperspektiven des Bundesamtes für Sozialversicherungen BSV zeigen auf, dass die Ausgaben der AHV trotz Sanierung bereits im Jahr 2030 wieder grösser sein werden als die Einnahmen.
Danach wird das sogenannte «Umlageergebnis» mit jedem Jahr massiv negativer. Die Eidgenössische Finanzverwaltung im Departement von Finanzministerin Karin Keller-Sutter rechnet damit, dass der Beitrag des Bundes an die AHV von heute knapp 10 Milliarden bis 2035 auf etwa 16 Milliarden Franken ansteigen könnte. Die Differenz von 6 Milliarden Franken muss irgendwie finanziert werden.
Armee soll mehr kosten dürfen
Für den Bundeshaushalt einschneidende Konsequenzen hat zudem der Beschluss des Parlaments, die Ausgaben für die Armee auf 1 Prozent des Bruttoinlandprodukts zu erhöhen. Zwar hat der Bundesrat das vom Parlament angepeilte Zieljahr bereits um 5 Jahre auf 2035 hinausgeschoben.
Neueste Schätzungen zeigen, dass die Armeeausgaben bis dann von heute 5.5 Milliarden auf 10.5 Milliarden Franken anwachsen müssten, um die Vorgaben des Parlaments zu erfüllen. Die Finanzierung dieser zusätzlichen 5 Milliarden ist bisher nicht sichergestellt.
11-Milliarden-Loch droht
Für den Bundesrat ist klar: um die absehbaren «Fehlbeträge» von über 11 Milliarden ab 2035 im Bundeshaushalt bereinigen zu können, «werden grössere Reformen umgesetzt werden müssen». Er hat das Finanzdepartement beauftragt, auch «einnahmeseitige Massnahmen» – sprich: Steuererhöhungen – zu prüfen.
Doch die Finanzministerin winkt bereits ab. «Ich halte Steuererhöhungen für den falschen Weg», macht Keller-Sutter im Interview mit der «SonntagsZeitung» klar. Das aber würde bedeuten, dass Bundesrat und Parlament auf der Ausgabenseite ansetzen müssen.
Für die AHV hat das Parlament den Bundesrat bereits beauftragt, bis Ende 2026 eine nächste «Stabilisierungsvorlage» für die Zeit nach 2030 vorzulegen. Die Frage, wie die zusätzlichen Milliardenausgaben für die Armee finanziert werden sollen, hat das Parlament bisher nicht beantwortet.