Mineure, Planer und geladene Gäste stehen in sicherer Entfernung, gekleidet in Signalwesten und mit Schutzhelmen. Das Signalhorn ertönt. Der Bündner Regierungspräsident Mario Cavigelli und Daniel Albertin, Präsident der Gemeinde Albula/Alvra, zu welcher Brienz gehört, drücken auf den Auslöser. Mehrere Detonationen hallen übers Areal – die ersten Gesteinsbrocken sind ausgebrochen.
«Heute ist ein Tag der Hoffnung», sagt Daniel Albertin. Der Bau des Stollens soll die Situation in Brienz möglichst beruhigen. Seit Jahrzehnten rutscht das Dorf im Albulatal talwärts. Lange weniger als zehn Zentimeter, in den letzten Jahren hat sich das Ganze aber deutlich beschleunigt auf teilweise mehr als 1.5 Meter pro Jahr. Es droht auch Gefahr von oben. Ein möglicher Bergsturz gefährdet das Dorf zusätzlich.
Das Problem liegt im Untergrund
Nach Monaten der Abklärungen, Probebohrungen und Untergrundmessungen ist für die Verantwortlichen klar, der feuchte Untergrund ist das Problem.
Brienz liegt auf einer bis zu 150 Meter dicken Rutschschicht, die Richtung Tal gleitet – und mit ihr Häuser, Ställe, Strassen und Wiesen. Nun liegt die grosse Hoffnung auf dem Stollen, der in den nächsten Monaten aus dem Berg gesprengt wird.
635 Meter soll er dereinst unterhalb von Brienz in den Berg hineinführen, mit einem Durchmesser von rund vier Metern. Vom Stollen aus werden rund 12 Bohrungen in das Gestein und die Rutschschicht gemacht. Durch diese soll Wasser in den Stollen und später gereinigt in den Fluss Albula geleitet werden.
Wasser soll weg
Mit dieser Drainage will man dem Untergrund Wasser entziehen. Die Hoffnung ist, dass sich so die Rutschung verlangsamt oder irgendwann gar gestoppt werden kann. «Wir arbeiten auf der Westseite», sagt Projektleiter Josef Kurath vom Bündner Tiefbauamt: «Wir würden im Westen die erste Beruhigung bereits im Frühjahr oder Sommer feststellen.»
Dass eine solche Tiefenentwässerung funktionieren kann, habe ein Projekt im Maggiatal gezeigt, sagt Kurath. Sollte der Sondierstollen einen Effekt zeigen, könnte dieser später zu einem eigentlichen Entwässerungsstollen ausgebaut werden. Dazu würde er auf rund 1800 Meter verlängert und würde so die gesamte Rutschung unterqueren.
Gefährdet ist auch wichtige Infrastruktur
14 Millionen Franken kostet alleine der Sondierstollen. Der grösste Teil davon berappen Bund und Kanton. Das Projekt sei in erster Linie für die rund 80 Einwohnerinnen und Einwohner von Brienz und für die Zukunft des Dorfs sehr wichtig, sagt Regierungspräsident Mario Cavigelli.
Schnell werde aber übersehen, dass in der Region auch wichtige Infrastrukturen gefährdet seien. «Es gibt Verbindungsstrassen, Schienen der RhB und verschiedene Linien für die Stromversorgung, daran hängt letztlich sogar die Stadt Zürich», so Cavigelli.
Die Zeit für eine Lösung in Brienz drängt, die Natur gibt den Takt vor. Auf der Baustelle wird nun unter der Woche im Zweischichtbetrieb gearbeitet – 17 Stunden am Tag. Anderthalb Jahre soll der Bau, mit dem viele Hoffnungen verbunden sind, dauern.