Paola Palmieri ist eine von ihnen: Sie lebt in Basel, darf aber nicht abstimmen und wählen: «Ich bin 1977 hier geboren. Mein Einreisedatum auf dem Ausländerausweis ist mein Geburtsdatum. Ich habe hier die Schulen gemacht und bin hier daheim.»
Politisch mitbestimmen kann sie aber nur in Italien, wo ihre Eltern herkommen. Die Seconda erfüllt zwar alle Voraussetzungen für eine Einbürgerung, will aber nicht: «Vor einem Jahr habe ich mich angemeldet. Als ich den Antrag mit all den Fragen sah, war das aber ein No-Go, aus Prinzip.»
Als ich den Antrag mit all den Fragen sah, war das ein No-Go. Aus Prinzip.
Paola Palmieri will nicht als Bittstellerin auftreten und «beweisen» müssen, dass sie hier zu Hause ist. Sie sehe es als Recht, als gebürtige Baslerin ein Mitspracherecht zu haben. Auch sei das Einbürgerungsverfahren lang und teuer.
Nach fünf, zehn Jahren oder gar nicht?
Die Frage des Stimmrechts für Ausländerinnen und Ausländer beschäftigt auch das Basler Parlament. Denn laut statistischen Berechnungen könnte bereits in zehn Jahren weniger als die Hälfte der Bevölkerung stimmberechtigt sein. Der Grund: Es wandern mehr Menschen ein, als sich einbürgern lassen.
SP-Grossrätin Edibe Gölgeli verlangt deshalb in einem Vorstoss das kantonale Wahlrecht für alle Einwohnerinnen und Einwohner nach fünf Jahren. Diese Menschen seien Teil des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens.
SVP-Fraktions-Chef Pascal Messerli widerspricht. Auch andere Bevölkerungsteile wie etwa die Jungen seien untervertreten: «Trotzdem ist es sinnvoll, dass man ab 18 stimmen kann und Schweizer Bürger sein muss. Das ist auch eine Motivation, sich einbürgern zu lassen und sich zu integrieren.» Damit verbunden seien auch Rechte und Pflichten.
Für Messerli soll es so bleiben – unabhängig von der Bevölkerungssituation. Nicht alle Bürgerlichen sehen das so: Auch die CVP fordert per Vorstoss das Einwohnerstimmrecht – nach zehn Jahren.
Wuchtiges Nein vor zehn Jahren
Die Basler haben ein kantonales Ausländerstimmrecht schon mehrmals abgelehnt. Zuletzt vor knapp zehn Jahren, als über 80 Prozent Nein sagten.
Dass das Thema nun wieder aufkommt, verwundert Joachim Blatter, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Luzern, nicht: Der Ausschluss eines so grossen Bevölkerungsteils sei tatsächlich der «ganz grosse schwarze Fleck auf der schönen weissen Weste der Schweizer Demokratie». Die Schweiz schliesse mehr Menschen aus dem demokratischen System aus als die meisten anderen europäischen Länder.
Wer sich an die Gesetze halten muss, soll mitbestimmen können.
Es sei ein Demokratiedefizit, wenn ein Viertel der Schweizer Bevölkerung nicht mitbestimmen dürfe, so Blatter. Es widerspreche aber auch den Grundregeln der Demokratie. Denn: «Wer sich an die Gesetze halten muss, soll mitbestimmen können.» Insbesondere auf kommunaler Ebene, wo die Beschlüsse die Menschen im Alltag ganz direkt beträfen.
Direkte Demokratie als Bremse
Der Politikwissenschaftler plädiert für ein Bewohnerinnen- und Bewohner-Stimmrecht nach fünf Jahren, wie dies vereinzelte Gemeinden in Appenzell-Ausserrhoden und Graubünden ermöglichen. Ansonsten aber sollten laut Blatter die Hürden für die Einbürgerung markant gesenkt werden.
Für beides fehlt laut Blatter aber der politische Wille. Der Grund liege in der direkten Demokratie selber, denn diese habe sich immer als grosse Bremse erwiesen, wenn es um die Aufnahme neuer Gruppen in den Kreis der Stimmberechtigten gegangen sei. Siehe Frauenstimmrecht. 130’000 16-Jährige