Zweimal hatte die Gerichtskommission des Parlaments versucht, eine Nachfolge für den zum Rücktritt gezwungenen Michael Lauber zu finden. Zweimal konnte sich die Kommission nicht auf eine Kandidatin oder einen Kandidaten einigen. Die Findungsphase war geprägt von zahlreichen Indiskretionen, Spekulationen und Winkelzügen. Kurz gesagt: Die Gerichtskommission machte eine miserable Figur. Und jetzt die Überraschung – in dreifacher Hinsicht.
Überraschung Nummer 1: Die Gerichtskommission hat sich – endlich – auf einen Kandidaten geeinigt, und zwar einstimmig.
Überraschung Nummer 2: Stefan Blättler hatte niemand auf der Rechnung. Der langjährige Kommandant der Berner Kantonspolizei ist zwar ein ausgewiesener Fachmann in der Strafverfolgung und stand als Präsident der kantonalen Konferenz der Polizeikommandanten zwischen 2014 und 2020 auch im nationalen Fokus. Trotzdem war sein Name im Kandidatenkarussell bis jetzt nicht aufgetaucht.
Überraschung Nummer 3: Es gab während der ganzen Evaluation keine einzige Indiskretion. Offenbar zeigte die Drohung von Andrea Caroni, Präsident der Gerichtskommission, Wirkung. Er hatte angedroht, Übeltäter in Handschellen aus der Kommission abführen zu lassen.
Solide statt schillernde Figur gefragt
Eine eher kleine Überraschung ist das Alter des Kandidaten: Stefan Blättler ist 62 Jahre alt. Nachdem die ständerätliche Rechtskommission dem Parlament beantragt hatte, das Höchstalter für Bundesanwälte auf 68 zu erhöhen, war klar, dass die Gerichtskommission auch ältere Kandidaten suchte. Um von ihrer Erfahrung zu profitieren. Aber auch, weil sich offenbar viele Jüngere den Schleudersitz des Bundesanwalts-Amts nicht antun wollten.
Stefan Blättler ist in seiner bisherigen Karriere nicht als schillernde Figur mit weltmännischem Auftreten aufgefallen. Das dürfte kein Nachteil sein: Die Bundesanwaltschaft braucht, um wieder zur Ruhe zu kommen, eine grundsolide, erfahrene, hoch angesehene und breit vernetzte Führungspersönlichkeit. Genau diese Attribute werden in den Berichten über das bisherige Wirken von Stefan Blättler verwendet.